Journal des Stiftungsrechts
JdS 2025, 3
Fallbearbeitung für das Studium: Kinderhospiz der heiligen Elisabeth – Ehre wem im Amt Entgelt gebührt?
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Fallbearbeitung für das Studium: Kinderhospiz der heiligen Elisabeth – Ehre wem im Amt Entgelt gebührt?
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1 Die Fallbearbeitung entstand im Rahmen der Vorlesung „Stiftungs- und Vereinsrecht“ an der FSU Jena und richtet sich an Studenten der Rechtswissenschaft. Im Mittelpunkt steht der Umgang mit widersprüchlichen Satzungsregelungen im Anerkennungsverfahren nach § 82 BGB. Ergänzend wird das Ehrenamt begrifflich von Dienst- und Arbeitsverhältnissen abgegrenzt.
2. A. Sachverhalt
Nathanael (N) möchte in Gedenken und zur Verehrung der heiligen Elisabeth von Thüringen eine Stiftung zur Armen- und Krankenpflege von Kindern mit Sitz in Gotha unter dem Namen „Kinderhospiz der heiligen Elisabeth“ (S) gründen. Hierfür will er der Stiftung mehrere Grundstücke und ein Barvermögen in Höhe von 10 Mi0. Euro zur Verfügung stellen.
3. Die zuständige Stiftungsbehörde verweigerte allerdings die Anerkennung. Die vorgelegte Satzung sei widersprüchlich. Eine „Aufwandsentschädigung“ wie sie von § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung vorgesehen sei und neben einer Auslagenerstattung des Satz 2 trete, sei unvereinbar mit dem in Satz 1 niedergelegten Ehrenamtsgedanken. Wenn ein Betrag gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 der Satzung ausgezahlt werden würde, läge damit gleichzeitig ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung und § 82 Abs. 2 BGB vor.
4. N meint hingegen, dass er selbst Vorstand werde und der Rechtsverkehr insoweit nicht betroffen werde. Ohnehin habe die „Aufwandsentschädigung“ nur Symbolcharakter, mit der die Leistungsbereitschaft künftiger Vorstände gewürdigt werden solle. Entgeltcharakter sei darin nicht zu erkennen. Dadurch könne der Arbeit des Vorstands doch nicht die Ehrenamtlichkeit abgesprochen werden können.
N fragt Sie nun, ob er einen Anspruch auf Anerkennung mit der derzeitigen Satzungsgestaltung hat.
5. Aufgabe
Beantworten Sie bitte die Frage des N?
6. Auszug aus der Satzung:
§ 12 Vorstand
1Der Vorstand wird ehrenamtlich tätig. 2Den Vorstandmitgliedern werden die notwendigen Auslagen erstattet. 3Soweit es die Geschäftstätigkeit verlangt, kann eine angemessene Aufwandsentschädigung gewährt werde.
7. Bearbeitervermerk
Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind gutachterlich, gegebenenfalls hilfsgutachterlich nach geltender Rechtslage zu prüfen.
9. Lösungsvorschlag
N könnte einen Anspruch auf Anerkennung der Stiftung aus § 82 Satz 1 BGB haben. Hierfür müsste das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 bis 3 BGB genügen, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheinen und die Stiftung dürfte das Gemeinwohl nicht gefährden.
10. A. § 81 Abs. 1 – 3 BGB
Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 bis 3 BGB entspricht.
11. B. Lebensfähigkeitsprognose
Die Zweckerfüllung ist dann dauerhaft und nachhaltig, wenn eine Lebensfähigkeitsprognose zu dem Ergebnis kommt, dass das geplante Handlungskonzept der Stiftung die Lebensfähigkeit über einen Zeitraum trägt, der die rechtliche Verselbstständigung rechtfertigt (MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl. 2025, § 82 Rn. 27, 31 ff; BeckOK BGB/Stürner, 74. Ed. 1.5.2025, BGB § 82 Rn. 5; Schauhoff/Mehren, Stiftungsrecht nach der Reform/Kampermann, 2024, Kap. 5 Rn. 42). Im Einklang mit dem Verbot der Selbstzweckstiftung (siehe hierzu MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl. 2025, § 80 Rn. 29) muss das Handlungskonzept dabei eine Zweckrichtung vorsehen, die nicht auf die Stiftung selbst gerichtet ist.
12. Das geplante Stiftungskapital besteht aus mehreren Grundstücken und einem Barvermögen von 10 Mio. Euro. Die zu erwartenden Erträge aus diesem Vermögen können eine mannigfaltige Zweckverwirklichung ermöglichen. Da Angaben zu konkreter Zweckerfüllung dem Sachverhalt nicht entnommen werden können, kann davon ausgegangen werden, dass N eine Zweckverwirklichung vorgesehen hat, die durch die Erträge des Grundstockvermögens abgesichert ist. Eine zeitliche Einschränkung der Zweckerfüllung ist nicht ersichtlich.
13. Mithin ist die Zweckverwirklichung als dauernd und nachhaltig zu betrachten.
11. C. Keine Gemeinwohlgefährdung
Die Stiftung dürfte auch das Gemeinwohl nicht gefährden.
Nach der gesetzlichen Vermutungsregel des § 82 Satz 1 BGB wird widerleglich davon ausgegangen, dass eine Gemeinwohlgefährdung nicht vorliegt, vgl. § 292 ZPO. Eine Gemeinwohlgefährdung könnte sich jedoch aus der Satzungsregelung zur Vorstandvergütung ergeben.
15. Hinweis:
Die Entscheidung des OVG Schleswig, die als Vorlage für den Sachverhalt gedient hat, stützt die Ablehnung der Genehmigungsfähigkeit einer Satzungsänderung auf „Gründe der Rechtsklarheit“ (OVG Schleswig ZStV 2020, 62, 65). Unklar ist, welche Norm und in welchen Tatbestand es die „Rechtsklarheit“ als Prüfungspunkt verordnet hat.
16. Maßstab für die Auslegung der Stiftungssatzung ist der sogenannte „verobjektivierte Stifterwille“. Vorrangig ist dabei auf den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen abzustellen, vgl. § 83 Abs. 2 BGB. Ziel der Auslegung ist es danach, eine dem Sinn und Zweck der Satzung entsprechende Lösung zu finden, bei der der Stifterwille am stärksten zur Geltung kommt (BGH, Urt. v. 14.10.1993 – III ZR 157/91 = NJW 1994, 184, 186 mit Verweis auf Seifert, Handbuch des Stiftungsrechts/Hof, 1. Aufl. 1987, § 8 Rn. 13). Zu beachten ist, dass der historische Stifterwille aus dem historisch-gesellschaftlichen Milieu sowie dem herrschenden örtlichen Zeitgeist zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung ermittelt und ausgelegt werden muss (BVerfG, Beschl. v. 11.10.1977 – 2 BvR 209/76 = BVerfGE 46, 73, 85). Keine Erheblichkeit hat dabei, was ein Stifter bei Berücksichtigung des eingetretenen Falles vernünftigerweise hätte regeln sollen. Entscheidend ist, welche Regelung getroffen wurde und welchen Willen er hierzu gebildet hat. Die Auslegung einer Stiftungssatzung ist also auch die Suche nach einer Regelungsvorstellung des Stifters (BGH NJW 1994, 184, 186). Erst in einem zweiten Schritt, wenn der historische Stifterwille für die Auslegungsfrage nicht zu ermitteln ist oder nicht beachtet werden kann, darf bei der Auslegung hilfsweise auf den mutmaßlichen Stifterwillen zurückgegriffen werden, vgl. § 83 Abs. 2 BGB.
17. Hinweis:
Die Grundsätze zur Auslegung von Stiftungssatzungen sind letztlich ungeklärt. Bereits der Meinungsstand in der Rechtsprechung ist nicht länger überschaubar. Neben dem hier dargestellten Auslegungshorizont, wonach nach einer Regelungsvorstellung des Stifters zu suchen ist, wird vom OLG Frankfurt angedeutet, dass eine Auslegung analog zur Auslegung einer Vereinssatzung erfolgen könne (Urt. v. 25.09.2018 – 5 U 130/18 = NZG 2019, 22, 28). Das OLG Köln führt allgemein aus, dass dem im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Stifterwillen maßgebende Bedeutung zukäme (Urt. v. 02.03.2018 – 1 U 50/17 = npoR 2018, 169, 173 mAnm. Hushahn). Und das BVerwG stellt bei der Auslegung auf § 133 BGB ab (Urt. v. 24.3.2021 – 6 C 4.20 = ZStV 2022, 22, 25 mAnm. Schulte).
18. Eine noch breitere Auffächerung der Meinungen erwartet den Interessierten in der Literaturlandschaft. Ein umfassender Überblick kann an dieser Stelle leider nicht geleistet werden. Daraus kann für den Stand der wissenschaftlichen Diskussion ohne Weiteres ein Forschungsbedarf und eine Konsolidierungsnotwendigkeit abgeleitet werden (kritisch ebenfalls Fischer ZStV 2023, 113, 115 [Editorial]). Für eine Klausursituation bedeutet dies zum einen, dass eine ausführliche Aufarbeitung nicht erwartet wird und auch nicht erwartet werden kann. Zum anderen, das ist wohl das einzig Gute an der derzeitigen Erkenntnislage, dass eine Vielzahl von Auffassungen vertretbar sind und akzeptiert werden (müssen). Die Thematik sollte dennoch in den Grundzügen bekannt sein, da Auslegungsfragen in der stiftungsrechtlichen Ausbildung nicht ausgespart werden können.
19. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 der Satzung wird der Vorstand ehrenamtlich tätig. Der Begriff der Ehrenamtlichkeit ist nach dem oben dargestellten Maßstab auszulegen. Eine einheitliche Begriffsverwendung lässt sich der Rechtsordnung nicht entnehmen, die als Ausgangspunkt für eine Auslegung herangezogen werden könnte. Vielmehr erfolgt eine Begriffsbestimmung immer anhand des konkreten Einzelfalls (OVG Schleswig, Urt. v. 21.3.2019 – 3 LB 1/17 = ZStV 2020, 62, 65; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 4.11.2019 – 6 B 57.19 = BeckRS 2019, 28278; BFH, Beschl. v. 8.8.2001 – I B 40/01 = DStRE 2001, 1301, 1302 f.; mwN. Uhl ZStV 2020, 67 f.). Da der Begriff des Ehrenamts bewusst in Satzungen gewählt wird, um entgeltliche Dienst- oder Arbeitsverhältnisse auszuschließen, ist er in Abgrenzung zu diesen zu bestimmen. Dienst- und Arbeitsverhältnisse lassen sich ihrerseits durch die Abgeltung von Zeit und Arbeitsaufwand, also den Gegenleistungsanspruch in Form des Entgelts, charakterisieren, vgl. §§ 611 Abs. 1, 611a Abs. 2 BGB (OVG Schleswig ZStV 2020, 62, 65). Will man dies ausschließen, muss eine ehrenamtliche Tätigkeit demgegenüber so verstanden werden, dass sich die Tätigkeit durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit prägt (vgl. BSG, Urt. v. 16.8.2017 – B 12 KR 14/16 R = DStR 2018, 144; 147; Urt. v. 23.2.2021 – B 12 R 15/19 R = NZS 2022, 346, 348; LSG Hessen, Urt. v. 23.1.2025 – L 1 BA 64/23 = BeckRS 2025, 2387 Rn. 32). Notwendige Auslagen, wie sie von den Organmitgliedern gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 der Satzung Vorstandsmitglieder von S verlangt werden können, stehen dazu nicht im Widerspruch. Denn dadurch wird ein Vermögensverlust kompensiert und keine Gegenleistung für aufgewendete Zeit bzw. Arbeitsleistung erbracht.
20. Satz 3 des § 12 Abs. 5 der Satzung gewährt den Vorstandsmitgliedern darüber hinaus eine „Aufwandsentschädigung“. N bezweckt mit letzterer Regelung, dass die Leistungsbereitschaft künftiger Vorstände gewürdigt werden kann. Mit Satz 3 werden also nicht die von Satz 2 erfassten (freiwilligen) Vermögensopfer erfasst, sondern ermöglicht darüberhinausgehende Zahlungen an die Vorstandsmitglieder. Die Zahlungen dienen nicht dem Ausgleich konkreter Vermögensnachteile, sondern der pauschalen Anerkennung der „Leistungsbereitschaft“ zukünftiger Vorstandsmitglieder. Zwar könnte noch vorgebracht werden, dass eine pauschalisierte Aufwandsentschädigung noch keinen Entgeltcharakter aufweist, solange die Vergütung evident hinter einer adäquaten Gegenleistung für die zu beurteilende Tätigkeit zurückbleibt (BSG, Urt. v. 12.12.2023 – B 12 R 11/21 R = NJW 2024, 3012, 3016; Urt. v. 23.2.2021 – B 12 R 15/19 R = NZS 2022, 346, 351 mAnm. Kania; LSG Hessen BeckRS 2025, 2387 Rn. 32). Eine solche einschränkende Regelung enthält § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung jedoch nicht. § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung ist danach eine pauschalisierte Entgeltregelung und steht zu § 12 Abs. 5 Satz 1 der Satzung im Widerspruch. Zu klären ist, ob solch ein Widerspruch auch eine Gemeinwohlgefährdung darstellen kann.
21. I. Rechtsprechung
Nach Auffassung des BVerwG (BVerwG, Urt. v. 12.2.1998 – 3 C 55–96 = BVerwGE 106, 177 = NJW 1998, 2545; Urt. v. 24.3.2021 – 6 C 4.20 = ZStV 2022, 22 mAnm. Schulte = npoR 2022, 299 mAnm. Arnold), liegt eine Gemeinwohlgefährdung iSd. § 82 S. 1 BGB vor, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Erlangung der Rechtsfähigkeit und die damit verbundene Zweckverwirklichung durch die Stiftung zu einer Beeinträchtigung von Verfassungsrechtsgütern führe. Zu beachten sei hierbei, dass die künftige Stiftung und nicht der oder die Stifter das Gemeinwohl gefährden muss. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nimmt das Gericht dann an, wenn eine mögliche Beeinträchtigung nicht nur eine bloße, entfernt liegende Vermutung oder Spekulation ist, sondern die Auslegung des Stifterwillens ergibt, dass die Stiftung sich als Werkzeug zur Beeinträchtigung darstellt. Als Schutzgüter der präventiven Anerkennungsprüfung kommen sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachgesetzlich geschützte Rechtsgüter in Betracht. Das Genehmigungsverfahren weise eine Kontroll- und Schutzfunktion auf, wobei der Stiftungsaufsicht eine „besondere Mitverantwortung“ für die Verwirklichung des Stifterwillens zukomme. Daneben dient der Tatbestand der Gemeinwohlgefährdung nach dem BVerwG insbesondere dem Schutz des Rechtsverkehrs vor unwirksamen Stiftungsgeschäften (vgl. hierzu auch BT-Drs. 14/8894, 10). Teile der Literatur haben sich der Auffassung des BVerwG angeschlossen (BeckOK BGB/Stürner, 74. Ed. 1.5.2025, § 82 Rn. 8 ff.; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB/D. U. Otto, 10. Aufl., § 80 Rn. 118, § 82 Rn. 17 ff.; Andrick/Muscheler/Uffmann, Bochumer Kommentar zum Stiftungsrecht/Andrick, 1. Aufl. 2023, § 82 Rn. 37 ff.; wohl auch Schauhoff/Mehren, Stiftungsrecht nach der Reform/Rohn/Staats, 2024, Kap. 8 Rn. 12 f.; jedenfalls dem Ergebnis zustimmend Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, StiftungsR/Stumpf, 4. Aufl. 2025, B § 82 BGB Rn. 26; zur Rechtslage bis 30.7.2023 Werner/Saenger/Fischer, Die Stiftung/Werner, 2. Aufl. 2019, § 11 Rn. 23 ff.; Hüttemann/Rawert/Schmidt/Weitemeyer, Non Profit Law Yearbook/Krause/Thiele, 2007, 133, 142 f.; Andrick/Suerbaum NJW 2002, 2905, 2907 f.; zur Rechtslage bis 30.6.2001 Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 6 Rn. 48 ff.).
22. Nach diesem Maßstab hat der Staat als Hüter und Garant des Stifterwillens (BVerwG ZStV 2022, 22, 27) ein berechtigtes Interesse an einer effektiven und funktionsfähigen Rechtsaufsicht, die auch durch den Staat ausgeübt werden muss. Zur Untermauerung lässt sich hierfür auch § 87 Abs. 2 Nr. 3 BGB heranziehen, wonach eine Stiftung aufzuheben ist, wenn ihr Verwaltungssitz ins Ausland verlegt wird. Den Sinn und Zweck dieser Norm kann in einer effektiven Stiftungsaufsicht gesehen werden (MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl. 2025, BGB § 87a Rn. 7). Aufgabe der Stiftungsaufsicht ist es ua. die Stiftungsorgane zu kontrollieren und den ursprünglichen Stifterwillen zu schützen (ausführlich Werner/Saenger/Fischer, Die Stiftung/Winkler, 2. Aufl. 2019, § 27 Rn. 37 ff.). Die Anerkennung eines sich widersprechenden Stifterwillens würde jedoch die Missachtung des Stifterwillens von der Stiftungsaufsicht sowie der Stiftungsorgane und damit die Verletzung von § 83 Abs. 2 BGB nahezu unausweichlich nach sich ziehen.
23. Würde etwa die Aufsicht nach Anerkennung eine Zahlung nach § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung nicht monieren, so würde diese die Ehrenamtsverpflichtung aus § 12 Abs. 5 Satz 1 der Satzung missachten und somit gegen § 83 Abs. 2 BGB verstoßen. Würde sie es hingegen monieren, würde die Aufsicht entgegen § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung handeln und ebenfalls gegen § 83 Abs. 2 BGB verstoßen. In jedem Fall treibt ein sich widersprechender Stifterwille die Stiftungsaufsicht in die Rechtsverletzung. Keine Rolle kann es dabei spielen, ob die Regelungen im Zusammenhang mit der tatsächlich gelebten Praxis schlüssig sind oder angewendet werden sollen. Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist die gesamte Satzung, nicht nur die, welche zeitnah umgesetzt werden soll. Auch können sich die tatsächlich gelebten Verhältnisse jederzeit ändern, wodurch mit einer Umsetzung von Satzungsregeln zu jedem Zeitpunkt zu rechnen ist.
24. Mithin ist die in § 12 der Satzung enthaltene widersprüchliche Regelung nach der Rechtsprechung des BVerwG als gemeinwohlgefährdend iSd. § 82 Satz 1 BGB zu anzusehen.
25. II. Teile der Literatur
Ein Teil der Literatur (MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl. 2025, § 82 Rn. 20 ff., § 80 Rn. 86; Volkholz, Geltung und Reichweite der Privatautonomie bei der Errichtung von Stiftungen, 2008, 184 ff.; Kötz/Rawert/Schmidt/Walz, Non Profit Law Yearbook/Reuter, 2001, 27 30 f.) lehnen die Rechtsprechung des BVerwG insoweit ab. Eine bloße Beeinträchtigung von Verfassungsrechtsgütern könne nicht ausreichen, um eine Anerkennung zu verweigern. Mit dem Grundrecht auf Stiftung sei es unvereinbar, wenn an eine bloße Gefährdung angeknüpft und so ein Rahmen für Verwaltungshandeln geschaffen werde, der vornehmlich diejenigen beeinträchtigt, für die die Grundrechte vor allem wichtig sind. Denn davon wären gerade die politischen und sozialen Außenseiter betroffen, die nun dem Wohlwollen von politisch abhängigen Behörden unterworfen wären. Entscheidend könne daher nur sein, ob das Stiftungsgeschäft einer Rechtmäßigkeitskontrolle standhält (vor der Stiftungsrechtsreform von 2021 wurde aufgrund des Gesetzeswortlauts nur auf den Stiftungszweck abgestellt).
26. Wollte man dieser Auffassung folgen, müsste zunächst festgestellt werden, dass die Regelungen des § 12 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Satzung eigenständig betrachtet zulässig sind. Ein Gesetzesverstoß kann an dieser Stelle nicht festgestellt werden. Allerdings sind die Regelungen des § 12 Abs. 5 der Satzung aufgrund des Widerspruchs in den Normbefehlen auf einen rechtlich unmöglichen Erfolg gerichtet. Dies wirkt sich nicht nur auf die Aufsicht, sondern gleichermaßen auf die Stiftungsorgane aus. Um den Erfolg des § 12 Abs. 5 Satz 3 der Satzung herbeizuführen, müssten die Organmitglieder gegen § 12 Abs. 5 Satz 1 verstoßen, was ihnen gemäß § 82 Abs. 2 BGB nicht gestattet ist (vgl. zur rechtlichen Unmöglichkeit MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, § 275 Rn. 50).
27. Auch nach dieser Auffassung sind die widersprüchlichen Satzungsregelungen des § 12 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Satzung mit dem Gesetz unvereinbar und damit nicht anerkennungsfähig.
28. III. Zwischenergebnis
Da beide Ansichten zum gleichen Ergebnis kommen, ist ein Streitentscheid entbehrlich. Die Satzungsreglung ist gemeinwohlgefährdend iSd. § 82 S. 1 BGB.
29. Hinweis:
Die Lösungsskizze berücksichtigt nicht die teilweise vertretene Auffassung, dass der Begriff des Gemeinwohles verfassungswidrig sei (BeckOGK/Roth, 30.6.2023, BGB § 80 Rn. 301; Muscheler NJW 2003, 3161, 3162; Schreiber, Die Unwirksamkeit des Stiftungsgeschäfts, 2011, 43 ff.). Diese Auffassung kann nicht überzeugen. Bereits das Grundrecht auf Stiftung, deren Hilfe sich diese Ansicht bedienen muss, ist nicht anzuerkennen.
30. Ebenfalls bleibt der jüngst gemachte Vorschlag (Beyer ZStV 2024, 203 ff.) unberücksichtigt, wonach dem Gemeinwohlvorbehalt kein einzelner Gemeinwohlbegriff zugrunde liegt, sondern sich dieser erst in der Betrachtung als Gemeinwohlklausel erschließt, die die Prüfkompetenz der Behörde auch auf zivilrechtliche Vorfragen erweitere. In einem ersten Schritt sind die Begriffe des Gemeinwohls, der Gefährdung und der Stiftung zu klären und zu einer einheitlichen Prüfungsformel zu verbinden. Im Ergebnis gefährde eine Stiftung das Gemeinwohl dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt oder eine Verletzung der Rechts- und Verfassungsordnung durch die konkrete Stiftung zu erwarten sei. Dabei sei der Stiftungsbegriff doppelt zu verstehen. Zu berücksichtigen seien sowohl organisatorische Grundentscheidungen der Stiftung als auch die Besonderheiten, die sich aus der Rechtsform ergeben.
31. D. Ergebnis
Das Stiftungsgeschäft gefährdet durch eine widersprüchliche Satzungsregelung das Gemeinwohl, wodurch N keinen Anspruch auf Anerkennung der Stiftung hat.
Beyer JdS 2025, 3 Rn. 1-31

13. Thüringer Stiftungsgespräche 2025