Aktuelle Rechtsprechung im Überblick
August 2023
Zusammengestellt von Benjamin Beyer
Zusammengestellt von Benjamin Beyer
BAG, Urt. v. 30.3.2023 – 8 AZR 120/22 (LAG Thüringen, Urt. v. 3.5.2022 – 5 Sa 21/22; ArbG Gera, Urt. v. 12.06.2019 – 1 Ca 67/18; parallele Entscheidung BAG, Urt. v. 30.3.2023 – 8 AZR 199/22)
Amtlicher Leitsatz:
Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB, weil sie im Einzelfall nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet des § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG – kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu dem/den Geschäftsführer/n der Gesellschaft dar.
VGH München, Urt. v. 3.4.2023 – 5 N 21.355
Amtlicher Leitsatz:
Die aufsichtsbehördliche Auflösung eines Wasser- und Bodenverbands gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 WVG muss in der Rechtsform eines Verwaltungsaktes verfügt werden.
BFH, Urt. v. 5.4.2023 – V R 14/22 (FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28.6.2022 – 4 K 96/19)
Amtliche Leitsätze:
FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.4.2023 – 3 K 475/16
Redaktionelle Leitsätze:
VGH München, Beschl. v. 15.5.2023 – 2 ZB 22.987
Redaktionelle Leitsätze:
VG Saarlouis, Urt. v. 15.5.2023 – 1 K 890/21
Amtlicher Leitsatz:
Es besteht kein Rechtsanspruch des Schulträgers auf Erstattung der Kosten für therapeutisches Reiten im Rahmen der Privatschulfinanzierung.
OLG Brandenburg, Urt. v. 16.5.2023 – 6 U 47/21 (LG Potsdam, Urt. v. 29.6.2021 – 52 O 111/20)
Redaktioneller Leitsatz:
Allein von der Vereinsstruktur eines rechtsfähigen Verbands zur Förderung gewerblicher und/oder selbständiger beruflicher Interessen, der weit überwiegend passive Mitglieder aufweist, kann nicht auf einen Rechtsmissbrauch iSd. § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG a.F., der inhaltsgleich mit § 8c Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG (n.F.) ist, geschlossen werden, da diese auch von personellen und sachlichen Effektivitätsüberlegungen getragen sein kann. Auch ein erheblicher Unterschied in der Höhe der Mitgliedsbeiträgen von passiven und aktiven Mitgliedern können sachliche Überlegungen zugrunde liegen. Beide Anhaltspunkte für sich können nicht den Vorwurf rechtfertigen, der Verband nehme Mitglieder nur deshalb oder zumindest überwiegend deshalb auf, seine Aktivlegitimation und Klagebefugnis zu begründen bzw. zu sichern.
OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.5.2023 – 11 U 61/22 (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 7.4.2022 – 2-03 O 193/21)
Amtliche Leitsätze:
VG Berlin, Urt. v. 7.6.2023 – VG 29 K 221/22
Redaktionelle Leitsätze:
VG Köln, Urt. v. 29.6.2023 – 13 K 5228/19
Redaktionelle Leitsätze:
OVG Hamburg, Beschl. v. 6.7.2023 – 3 So 38/23
Redaktioneller Leitsatz:
Gemäß § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. So liegt es in dem Fall, dass die Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, weil ein eingetragener Verein nicht dargelegt hat, dass die Kosten der Prozessführung von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können, vgl. §§ 116 S. 1, S. 2, 114 ZPO.
VG Münster, Beschl. v. 6.7.2023 – 6 L 558/23
Redaktioneller Leitsätze:
BVerwG, Urt. v. 7.7.2023 – 6 A 2.21
Redaktioneller Orientierungssatz (nach der Pressemitteilung):
Gegenstand der Prüfung ist ausschließlich das Vorliegen der Voraussetzungen einer Teilorganisation und nicht die Verwirklichung von Verbotsgründen. Von einer Teilorganisation ist auszugehen, wenn eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung – der Teilorganisation – besteht. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Die Voraussetzungen einer Teilorganisation müssen noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vorliegen. Die Vereinigung Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V. ist als Teilorganisation von Ansaar International e.V. zu qualifizieren.
Hinweis des Gerichts:
Ansaar International hat ebenfalls Klage bei dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Verbotsverfügung vom 22. März 2021 erhoben. Das Verfahren, in dem vor allem die Verbotsgründe geprüft werden, ist unter dem Az. 6 A 3.21 anhängig und wird derzeit noch verhandelt. Im Fall des Erfolgs dieser Klage ist das Verbot des Klägers als Teilorganisation hinfällig.
BVerwG, Urt. v. 7.7.2023 – 6 A 4.21
Redaktionelle Orientierungssatz (nach der Pressemitteilung):
Der Kläger war lediglich im Zeitraum von Anfang 2016 bis März 2019 eine Teilorganisation von Ansaar International. Demgegenüber rechtfertigen die nach diesem Zeitraum gegebenen Umstände nicht länger die Annahme einer Teilorganisation, weil die Nutzung der Vereinsstrukturen des Klägers durch Ansaar International beendet wurde und es derzeit keine personelle Verflechtung mehr gibt.
Hinweis des Gerichts:
Ansaar International hat ebenfalls Klage bei dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Verbotsverfügung vom 22. März 2021 erhoben. Das Verfahren, in dem vor allem die Verbotsgründe geprüft werden, ist unter dem Az. 6 A 3.21 anhängig und wird derzeit noch verhandelt.
VG Schleswig, Beschl. v. 10.7.2023 – 6 B 8/23
Redaktionelle Leitsätze:
BSG, Urt. v. 20.7.2023 –B 12 BA 1/23 R; B 12 R 15/21 R; B 12 BA 4/22 R
Redaktioneller Leitsatz (nach Terminbericht Nummer 29/23):
Verpflichtet sich eine Ein-Personen-Kapitalgesellschaft gegenüber einem anderen Unternehmen vertraglich zur Erbringung von Tätigkeiten, die ihrer Art nach eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des anderen Unternehmens und eine Weisungsgebundenheit an dortige Weisungsgeber bedingen (tatsächliche Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation), sind ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen zwischen dem die Tätigkeit selbst ausführenden Gesellschafter-Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft und dem anderen Unternehmen zur Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich. Um eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung könnte es sich nur dann handeln, wenn die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorhanden ist und weitere qualifizierte Arbeitskräfte zur Erfüllung der übernommenen Tätigkeit vorhanden sind.
LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.5.2023 – L 11 BA 3282/21 (SG Mannheim, Urt. v. 9.9.2021 – S 12 BA 1532/20)
Amtlicher Leitsatz:
Der Geschäftsführer einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ein eingetragener Verein ist, ist abhängig beschäftigt. Der Umstand, dass der GmbH-Geschäftsführer auch alleinvertretungsberechtigtes Mitglied des aus drei Personen bestehenden Vereinsvorstandes ist, begründet keine selbstständige Tätigkeit.
Court of Arbitration for Sport (CAS – Internationaler Sportgerichtshof), Entscheidung v. 24.7.2023 – 2023/O/9370
Redaktioneller Orientierungssatz:
Die FIFA Football Agents Regulations (FFAR) ist sowohl mit supranationalen, als auch dem nationalem Recht der Schweiz, Frankreichs und Italiens vereinbar.
VG Köln, Beschl. v. 24.7.2023 – 20 L 835/23
Redaktioneller Leitsätze:
Die „Ülkücü“-Bewegung ist eine Vereinigung iSd. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Eine Mitgliedschaft in einem Verein oder Verband, der dieser Bewegung zugerechnet werden kann, rechtfertigt die Annahme, dass es bei dem entsprechenden Mitglied an der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit mangelt.
Hinweise zu OLG Hamm, Urt. v. 19.6.2023 – 8 U 177/22; 8 U 21/23
Den beiden Entscheidungen liegt ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde, nachdem einer KG, die alle Anteile einer Holding GmbH hält, eine Familienstiftung, die einen Stamm dienen soll, und eine KG, welche von dem anderen Stamm beherrscht wird, als Kommanditistinnen angehören. Die Familienstiftung hat versucht, ihre Anteile in Umgehung einer Vinkulierungsklausel zu veräußern bzw. belasten, was die ohnehin bestehenden Streitigkeiten zwischen den Stämmen eskalieren ließ.
Hierzu sei angemerkt, dass das Gericht keine Ausführungen zum Stiftungsrecht gemacht hat, was jedoch nicht allzu fern liegt. Denn es ist ungeklärt, ob Verstöße gegen den Stifterwillen nur intern nichtig sind oder ob eine eventuelle Nichtigkeit auch ins Außenverhältnis durchschlägt. Im letzteren Fall wäre danach zu klären gewesen, ob der Verkauf der Anteile, der wahrscheinlich auf einen Beschluss eines Stiftungsorgans beruht, gegen den Stifterwillen verstößt und bereits aus diesem Grund nichtig ist. Danach stünde die Frage im Raum, ob der Stiftung eine nichtige Handlung zugerechnet werden kann.
Beachtung sollten die Entscheidungen zumindest deshalb finden, weil das OLG eine Pflichtverletzung durch die Stiftung auch mit der Erwägung begründete, dass der Verkauf den Charakter des Unternehmens als Familienunternehmen gefährden würde (siehe etwa 8 U 21/23 – Rn. 72).