Vorübergehende Nutzung von Vereinsvermögen außerhalb des Vereinszwecks mangels Alternative
LG Heidelberg, Urt. v. 22.2.2024 – 5 O 62/23
Amtliche Leitsätze:
- Erscheint eine Nutzung von Vereinsvermögen zu Vereinszwecken (hier: eines Gebäudes als Altersheim) in näherer Zukunft nicht realisierbar, kann eine vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken (hier: als Flüchtlingsunterkunft) zulässig sein, wenn diese alternative Nutzung dem Vereinszweck näherkommt als der bisherige Zustand (hier: Leerstand) oder ein Verkauf.
- Zur Auslegung der Vereinssatzung (hier: „Zustellung“ der Einladungen zur Mitgliederversammlung).
- Zur hinreichenden Bestimmtheit der Bezeichnung der Beratungsgegenstände in der Einladung zur Mitgliederversammlung.
Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegen einen nicht steuerbefreiten eingetragenen Verein wegen wiederholter verspäteter Abgabe der Körperschaftssteuererklärung nicht ermessensfehlerhaft und nicht verfassungswidrig
FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.11.2024 – 8 K 8046/23 (Revision zugelassen)
Amtliche Leitsätze:
- Die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Kriterien (Dauer der Fristüberschreitung, Höhe des sich ergebenden Zahlungsanspruchs, gezogene Vorteile, Verschulden und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) sind beim Entschließungsermessen des § 152 Abs. 1 AO n.F. nicht zu berücksichtigen, da die Kriterien nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 8 AO nur noch bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages in den dort geregelten Ausnahmefällen Anwendung finden.
- Ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter eingetragener Verein (e.V.) ist auch dann zur elektronischen Übermittlung einer jährlichen Körperschaftsteuererklärung verpflichtet, wenn er behauptet lediglich Mitgliedsbeiträge im Sinne des § 8 Abs. 5 KStG zu vereinnahmen und sonst kein Einkommen zu erzielen.
Ablehnung einer vereinsrechtlichen Durchsuchungsanordnung
VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 19.11.2024 – 5 L 4039/24.F
Amtliche Leitsätze:
- Das Gericht vermag dem Konstrukt, Äußerungen seien wegen der einer Abwägung unzugänglichen Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht sagbar, nicht zu folgen.
- Die Grenze der freien Meinungsäußerung bildet nicht die Wertung, ob die Äußerungen (gleich, nach welcher Definition) als antisemitisch oder antizionistisch anzusehen seien oder das Existenzrechts Israel negierten, sondern allein, ob sie einen strafbaren Inhalt haben oder nicht.
- Soweit für die vereinsrechtlichen Ermittlungen möglicherweise politische Zielsetzungen relevant sind, ist dies nicht notwendig als sachfremder Gesichtspunkt schädlich, doch folgt hieraus keine Lockerung der Bindung an Gesetz und Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG.
Entfernung eines JVA-Beamten aus dem Beamtenverhältnis wegen Mitgliedschaft bei den „Bandidos“
OVG Lüneburg, Urt. v. 27.11.2024 – 3 LD 1/23 (VG Osnabrück, Urt. v. 6.12.2022 – 9 A 3/22)
Amtlicher Leitsatz:
Die Mitgliedschaft eines JVA-Beamten bei einem inzwischen verbotenen „Chapter“ der Rockergruppe „Bandidos“ und seine dortige hervorgehobene Tätigkeit sind mit der beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht nicht zu vereinbaren und führen zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Angabe des Vereinssitzes im Register des Deutschen Patent- und Markenamt
BPatG, Beschl. v. 4.12.2024 – 29 W (pat) 578/24 – Kennerspiel des Jahres
Redaktioneller Leitsatz:
Befinden sich im Vereinsregister zum gemäß § 3 Satz 3 Nr. 2 in Spalte 2 b VRV zu erfassenden Sitz keine weiteren Angaben, so ist auch bei einer Markenanmeldung der Anmelder entsprechend der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) 3. HS MarkenV, wonach die Angaben dem Registereintrag entsprechen müssen, mit diesem Vereinssitz zu erfassen; der Markenanmelder kann (und muss) allein mit dem Sitz, mithin ohne Zusätze (wie Straße, Hausnummer und Postleitzahl), im Markenregister abgebildet werden.
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Bestellung eines Notvorstands
VerfGH Berlin, Beschl. v. 18.12.2024 – VerfGH 123 A/24 (vorangehend KG, Beschl. v. 25.11.2024 – 22 W 62/23; nachfolgend VerfGH Berlin Beschl. v. 22.1.2025 – 123 A/24)
Redaktioneller Leitsatz:
Ein Ausnahmefall im Sinne des im Eilverfahren entsprechend anwendbaren § 49 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG-Berlin ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn ein bestellter Notvorstand die Schlösser zur Geschäftsstelle austauschen lässt und den Vorstand dadurch den Zutritt zu der Geschäftsstelle verweigert. Dem Vorstand ist auch in dieser Konstellation zumutbar, den Rechtsweg auszuschöpfen.
Kein Erstattungsanspruch einer gemeinnützigen Stiftung auf Erstattung abgeführter Kapitalertragsteuer
FG Münster, Urt. v. 18.12.2024 – 9 K 2015/21 Kap
Redaktionelle Leitsätze:
- Insgesamt ist im Zuge der Billigkeitsprüfung iRd. § 227 Halbsatz 2 AO zu entscheiden, ob die Besteuerung im zu beurteilenden Einzelfall eine aufgrund der gesetzlichen Regelung typische Folge oder Begleiterscheinung darstellt oder ob sie sich unter Berücksichtigung aller für das Rechtsverständnis maßgeblichen Wertungen (Gesetzeszweck, Grundrechte und andere Verfassungssätze, allgemeine Rechtsgrundsätze) als für den Rechtsstaat nicht hinnehmbar und für den Einzelnen unzumutbar darstellt.
- Zwar ist es zutreffend, dass es nach der gesetzgeberischen Konzeption, die eine Abgeltungswirkung des Steuerabzugs und keine Anrechnungsmöglichkeit in einem Veranlagungsverfahren vorsieht, ohne die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach § 44a Abs. 7 EStG zu einer Definitivbelastung gemeinnütziger Körperschaftsteuersubjekte mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer kommt. Diese gesetzliche Konzeption ist aber vom Gesetzgeber bewusst hingenommen worden, weshalb dies nicht durch eine Billigkeitsprüfung korrigiert werden kann.
- Wird vor dem Vollzug eines Vermächtnisses, mit dem eine unselbstständige Stiftung errichtet werden soll, und vor der steuerlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit der unselbstständigen Stiftung Kapitalertragsteuer entrichtet, hat die unselbstständige Stiftung daher keinen Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 227 Halbsatz 2 AO.
Beschwerde gegen Durchsuchung im Zusammenhang mit dem Verbot von „COMPACT-Magazin GmbH“ unzulässig
OVG Bautzen, Beschl. v. 19.12.2024 – 6 E 47/24 (VG Dresden, Beschl. v. 16.7.2024 – 6 O 2/24)
Redaktioneller Leitsatz:
Soweit Bruchteileigentümer eines Grundstücks sich gegen den Vollzug eines Durchsuchungsbeschlusses wehren, indem sie selbst (auch) nicht als Duldungspflichtiger benannt werden, wenden sie sich gegen ein behördliches Handeln und nicht gegen den Durchsuchungsbeschluss. Hiergegen müssen sich die Bruchteileigentümer durch gesonderten, erstinstanzlich vor dem Verwaltungsgericht zu erhebenden Rechtsbehelf, etwa in Form einer Feststellungsklage, wehren. Für ein gerichtliches Verfahren, gerichtet auf die Überprüfung des Durchsuchungsbeschlusses, fehlt es ihnen jedoch an der Beschwerdebefugnis, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend.
Grenzen des Vereinsausschluss
OLG Hamm, Beschl. v. 6.1.2025 – 8 W 36/24 (LG Hagen Beschl. v. 12.11.2024 – 4 O 195/24)
Amtliche Leitsätze:
- Der Ausschluss eines Mitglieds aus einem Verein kann mit Hilfe der Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden. Der Kläger kann die Feststellung begehren, dass der Ausschließungsbeschluss unwirksam ist. Alternativ kann er die Feststellung beantragen, dass er noch Mitglied des Vereins ist.
- Eine satzungsmäßige Einspruchsmöglichkeit steht der Klage gegen den Ausschluss nicht entgegen, wenn der Verein die Entscheidung des Rechtsmittelorgans böswillig verhindert oder ungebührlich verzögert. Eine Verzögerung von zehn Monaten ist in der Regel ungebührlich.
- Die dem gesamtvertretungsberechtigten Vorstand zugewiesene Ausschlussentscheidung ist von dem Vorstand nicht nur in vertretungsberechtigter Zahl zu treffen, sondern von ihm auch dem Mitglied gegenüber in dieser Form abzugeben.
- Eine von anderen Vorstandsmitgliedern einem gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied erteilte Generalvollmacht zur Vertretung des Vereins ist unwirksam, soweit sie eine satzungsmäßige Vertretungsregelung unterlaufen würde.
- Auch ohne ausdrückliche satzungsmäßige Anordnung hat der Verein vor der Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds das Gebot rechtlichen Gehörs (audiatur et altera pars) zu beachten.
- Ist in der Satzung die vereinsinterne Überprüfung der Ausschlussentscheidung im Wege des Einspruchs vorgesehen, so hat das dafür zuständige Organ seiner Entscheidung grundsätzlich die der Ausgangsentscheidung zugrundeliegenden Tatsachen zugrunde zu legen. Neue Tatsachen kann es jedenfalls nicht berücksichtigen, ohne dem Mitglied Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (rechtliches Gehör).
Zum Verbot der Mehrfachmitgliedschaft nach dem Konsumcannabisgesetz
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.1.2025 – 3 W 2/25 (AG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2024 – 89 AR 112/24)
Amtliche Leitsätze:
- Weder das in § 16 Abs. 3 Satz 1 KCanG normierte Verbot einer Mehrfachmitgliedschaft noch ein inhaltsgleiches satzungsmäßiges Verbot stehen der Gründung eines auf den Betrieb einer Anbauvereinigung gerichteten nichtwirtschaftlichen Vereins durch den genannten Personenkreis entgegen.
- Die Mehrfachmitgliedschaft eines Vereinsmitglieds steht allerdings der Eintragung des Vereins in das Vereinsregister entgegen.