Von gGmbH betriebenes Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie ist keine öffentliche Auftraggeberin iSd. § 99 GWB
OLG Celle, Beschl. v. 27.8.2024 – 13 Verg 3/24 (Revision zugelassen)
Amtlicher Leitsatz:
Wenn eine gemeinnützige GmbH, die ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt, Erlöse aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen erzielt, handelt es sich nicht um eine öffentliche Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a) GWB, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten.
Jugendhilfe, welche Schulbegleitungen anbietet, ist etwas anderes als Klassenassistenz
OVG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2024 – 5 MB 7/24 (Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 4.6.2024 – 7 B 43/24)
Amtliche Leitsätze:
- Die Vergabe des systemischen Infrastrukturangebots Klassenassistenz greift weder in einfachrechtlich ausgestaltete Rechte noch in die Berufsfreiheit der Antragsteller ein.
- Die zu vergebende Maßnahme der Klassenassistenz betrifft keine rechtsanspruchsgesicherten Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII.
Ermächtigungsbeschluss zur Einberufung einer Mitgliederversammlung auch bei bereits geplanter Mitgliederversammlung
OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2024 – 27 W 73/24 (AG Lemgo, Beschl. v. 12.08.2024 – VR 60606)
Redaktioneller Orientierungssatz:
Eine geplante Mitgliederversammlung kann einem Ermächtigungsbeschluss zur Einberufung einer Mitgliederversammlung nach § 37 Abs. 2 BGB nur dann entgegenstehen, wenn die gemäß § 37 Abs. 1 BGB Zwecke bzw. Gründe der Einberufung als Tagesordnungspunkt aufgenommen worden sind und der Zeitpunkt der Mitgliederversammlung das berechtigte Interesse der Vereinsmitglieder an der zeitnahen Durchführung einer Mitgliederversammlung berücksichtigt.
Anfechtung staatlicher Beihilfen durch FC Barcelona Fans – Paris Saint-Germain bleibt unbescholten
EuGH, Urt. v. 5.9.2024 – Rs. C 224/23 P (EuG, Urt. v. 08.02.2023 – T-538/21)
Redaktionelle Leitsätze:
- Gemäß 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 ist der Begriff „Beteiligter“ so definiert, dass hiervon Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände umfasst sind. Der Begriff schließt über diese feststehenden Kategorien juristischer oder natürlicher Personen hinaus alle anderen Personen ein, deren Interessen aufgrund der Gewährung dieser Beihilfe beeinträchtigt sein können. Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 kodifiziert die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des „Beteiligten“ aus Art. 108 Abs. 2 AEUV.
- Insoweit bezieht sich der Begriff „Beteiligter“, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, auf eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten, was jede Person einschließen kann, die geltend macht, dass ihre Interessen, das heißt in ihren eigenen Interessen nicht allgemeiner Art, aufgrund der Gewährung einer mutmaßlichen Beihilfe beeinträchtigt sein könnten. Die Gewährung muss sich tatsächlich konkret auf ihre Interessen ausgewirkt haben oder sich zumindest potenziell konkret auf diese auswirken können. Die Person muss dabei in rechtlich hinreichender Weise dartut, dass die Anforderungen erfüllt sind, um als „Beteiligter“ angesehen zu werden. Insbesondere hat diese die konkreten tatsächlichen bzw. potenziellen Auswirkung selbst nachweisen und auch den Kausalzusammenhang zwischen der Auswirkung und der Gewährung der Beihilfe.
- Diesen Nachweis konnte im konkreten Fall der Fußballfan nicht erbringen.
Schiedsrichter bekommt Schmerzensgeld nach einer Bierdusche
LG Zwickau, Urt. v. 24.9.2024 – 4 O 771/23 (nicht rechtskräftig)
Redaktionelle Leitsätze:
- Übergießt ein Zuschauer einen Schiedsrichter mit einer nicht unerheblichen Menge Bier, stellt diese Handlung eine tätliche Beleidigung gemäß § 185 StGB und zugleich eine allgemeine Persönlichkeitsrechtsverletzung iSv. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG dar.
- Die Handlung des Zuschauers ist auch nicht gerechtfertigt. Es ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass der Zuschauer im Rahmen der ihm grundgesetzlich zustehenden Meinungsfreiheit berechtigt sein sollte, dem Schiedsrichter einen zur Hälfte mit Bier gefüllten Becher ins Gesicht zu schütten, was eine Ehr- und Würdeverletzung herbeiführt. Im Falle dessen, dass der Zuschauer mit den vom Schiedsrichter getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden ist, steht es dem Zuschauer zwar offen, seine Meinung von Meinungsfreiheit geschützt in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Die erlaubte Grenze der ihm zustehenden Meinungsfreiheit wurde indes im vorliegenden Fall bei weitem überschritten.
- Ein allgemeiner Grundton in Stadien kann nicht mit dem Ziel herangezogen werden, dass dies zugrunde gelegt nur noch außergewöhnliche Fälle überhaupt geeignet sind, beleidigend zu wirken und Schmerzensgeldansprüche auszulösen. Diese Auffassung zu Ende gedacht, würde nämlich zu dem nicht tragbaren Ergebnis führen: Je verrohter der allgemeine Grundton im Stadion, je unflätiger und strafbarer das Verhalten von Zuschauern und Verantwortlichen, umso höher die Anforderungen an eine, einen Schmerzensgeldanspruch begründende Beleidigung/Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dies kann nicht richtig sein.
FIFA-Transferregeln gekippt
EuGH, Urt. v. 4.10.2024 – C-650/22
Tenor (aus dem Englischen übersetzt):
- Artikel 45 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass er Regeln entgegensteht, die von einem privatrechtlichen Verband erlassen wurden, dessen Ziele unter anderem die Regulierung, Organisation und Überwachung des Fußballs auf Weltebene umfassen. Diese Regeln sehen vor:
- Erstens, dass ein Profispieler, der Partei eines Arbeitsvertrags ist und als diesen ohne triftigen Grund beendet betrachtet wird, sowie der neue Verein, der ihn nach dieser Beendigung einstellt, gesamtschuldnerisch für die Zahlung einer Entschädigung an den früheren Verein haften, bei dem der Spieler tätig war. Die Entschädigung bemisst sich anhand von Kriterien, die teilweise ungenau oder Ermessensspielraum unterworfen sind, teilweise ohne objektiven Bezug zur betreffenden Arbeitsbeziehung auskommen und teilweise unverhältnismäßig sind;
- Zweitens, dass, wenn die Beschäftigung des Profispielers während einer geschützten Periode nach dem gekündigten Arbeitsvertrag erfolgt, der neue Verein eine sportliche Sanktion in Form eines Verbots der Anmeldung neuer Spieler für einen bestimmten Zeitraum erhält, es sei denn, er kann nachweisen, dass er den Spieler nicht zum Vertragsbruch veranlasst hat; und
- Drittens, dass das Bestehen einer Streitigkeit über diesen Vertragsbruch die nationale Fußballvereinigung, der der frühere Verein angehört, daran hindert, das für die Anmeldung des Spielers beim neuen Verein notwendige ITC (International Transfer Certificate) auszustellen, mit der Folge, dass der Spieler für den neuen Verein nicht an Wettbewerben teilnehmen kann.
Dies gilt, sofern nicht nachgewiesen ist, dass diese Regeln, wie sie auf dem Gebiet der Europäischen Union ausgelegt und angewandt werden, nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um das Ziel der Gewährleistung der Ordnungsmäßigkeit von Vereinswettbewerben zu verfolgen und eine gewisse Stabilität in den Spieleraufstellungen der Profifußballvereine aufrechtzuerhalten.
- Artikel 101 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass solche Regeln eine Entscheidung eines Unternehmensverbands darstellen, die durch Absatz 1 dieses Artikels verboten ist und die nur dann gemäß Absatz 3 von diesem Verbot ausgenommen werden kann, wenn überzeugend dargelegt und nachgewiesen wird, dass alle dafür erforderlichen Bedingungen erfüllt sind.
Keine Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst von Bewerbern, die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen
BVerwG, Urt. v. 10.10.2024 – 2 C 15.23 (BVerwG, Beschl. v. 24.7.2023 – 2 B 17.23; VGH München, Beschl. v. 22.12.2022 – 3 B 21.2793; VG Würzburg, Urt. v. 10.11.2020 – W 1 K 20.449)
Redaktionelle Leitsätze (nach Pressemitteilung Nr. 48/2024 vom 10.10.2024):
- Mindestanforderungen im Hinblick auf die Verfassungstreuepflicht muss auch der Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst erfüllen. Sie haben Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht zu erfüllen und dürfen sich insbesondere nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen.
- Begründete Zweifel an der erforderlichen Mindesttreuepflicht eines Kandidaten können sich bereits aus einer aktiven Mitgliedschaft in einer Partei (hier „Der III. Weg“) ergeben.
- Das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und 4 GG steht dem nicht entgegen, da dies nur die Rechtsfolgen sperrt, die sich aus einem (erfolgreichen) Parteiverbotsverfahren ergeben würden. Mittelbare Beeinträchtigungen umfasst der Gewährleistungsgehalt der verfassungsrechtlichen Bestimmungen dagegen nicht. Aus dem Parteienprivileg folgt auch nicht, dass jedes Parteimitglied bis zum Parteiverbot als verfassungstreu behandelt werden müsste.
Richterliche Maßnahmen nach dem Vereinsgesetz begründen keinen Ausschluss wegen Vorbefassung im Verwaltungsverfahren
VG Berlin, Beschl. v. 16.10.2024 – VG 29 K 281/23
Amtlicher Leitsatz:
Ein hierfür zuständiger Richter, der im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren richterliche Anordnungen oder Maßnahmen nach dem Vereinsgesetz trifft, wirkt nicht an einem Verwaltungsverfahren i. S. d. § 54 Abs. 2 VwGO mit und ist nicht von der Amtsausübung ausgeschlossen.
Stiftung Preußischer Kulturbesitz verliert Prozess um Kosten für Pergamonmuseum
LG Berlin, Urt. v. 25.10.2024 – 22 O 79/22
Redaktioneller Hinweis:
In einem Streit um die Sanierungskosten des Pergamonmuseums muss die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einer Baufirma wohl mehr als 226.000 Euro Werklohn zahlen. Die Gegenansprüche seien verjährt. Die Urteilsbegründung ist noch nicht veröffentlicht.
(Siehe hierzu auch becklink 2032384)