Gründung einer Stiftung durch Testament und Satzungsentwurf
OLG Schleswig, Beschl. v. 13.6.2024 – 3 Wx 54/23 (AG Neumünster, Beschl. v. 17.8.2023 – 6 VI 709/22)
Amtliche Leitsätze:
- Die Satzung einer noch zu gründenden Stiftung ist als Bestandteil einer letztwilligen Verfügung anzusehen, wenn das Testament einen Verweis auf sie enthält und die Satzung ihrerseits den Formerfordernissen der §§ 2231, 2247 BGB genügt und alle gemäß § 81 Abs. 1 BGB für das Stiftungsgeschäft erforderlichen Regelungen, namentlich Zweck, Namen, Sitz, Vorstandsbildung und gewidmetes Vermögen enthält.
- Gefährdet eine testamentarische Verwaltungsanordnung des Erblassers die Gründung der als Erbin designierten Stiftung, kann die Anordnung aufzuheben sein, wenn sonst das Testament insgesamt hinfällig wäre und gesetzliche Erbfolge eintreten würde mit dem Ergebnis, dass auch die Verwaltungsanordnung nicht umgesetzt würde.
- Die Anordnung nach § 2216 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt voraus, dass eine Anerkennungsfähigkeit der Stiftung und damit eine Verwirklichung des Erblasserwillens durch die Außerkraftsetzung einer seiner Anordnungen wahrscheinlich ist.
Familienstiftung als Finanzunternehmen iSd. § 8b Abs. 7 S. 2 KStG
BFH, Urt. v. 3.7.2024 – I R 46/20 (FG Sachsen, Gerichtsbescheid v. 21.10.2020 – 5 K 117/18)
Amtlicher Leitsatz:
Für die Qualifikation als Finanzunternehmen im Sinne des § 8b Abs. 7 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2011 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 des Kreditwesengesetzes 2011 ist die Rechtsform unerheblich. Auch eine privatrechtliche Familienstiftung kann grundsätzlich ein Finanzunternehmen sein. Ob sie eine finanzunternehmerische Haupttätigkeit ausübt, richtet sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.
Zurechnung von Grundstücken bei einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG und Grunderwerbsteuerbefreiung bei einer niederländischen Stiftung
BFH, Urt. v. 23.7.2024 – II R 11/22 (FG Münster, Urt. v. 10.3.2022 – 8 K 1945/19 GrE)
Amtliche Leitsätze:
- Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft für den nach § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Dies gilt auch bei mehrstöckigen Beteiligungen (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.12.2022 –II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 30).
- Eine steuerbare Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer niederländischen Stiftung (stichting) ist nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerbefreit, wenn die Stiftung bei einem Rechtstypenvergleich nicht mit einer Gesamthandsgemeinschaft gleichgestellt werden kann.
EuGH-Nachfolgeurteil: Organschaft und Entnahmebesteuerung bei hoheitlicher Tätigkeit des Organträgers
BFH, Urt. v. 29.8.2024 – V R 14/24 – V R 20/22 – V R 40/19 (FG Niedersachsen, Urt. v. 16.10.2019 – 5 K 309/17)
Amtliche Leitsätze:
- Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers ist unionsrechtskonform (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.01.2023 – XI R 29/22 (XI R 16/18), BFHE 279, 320).
- Entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, sind entsprechend der bisherigen BFH-Rechtsprechung nichtsteuerbar.
- Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger, lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, so dass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG beim Organträger kommt (insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 20.08.2009 –V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863).
Keine Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO für extremistische Körperschaften
BFH, Urt. v. 5.9.2024 – V R 15/22 (FG Berlin-Brandenburg, v. 3.5.2022 – 8 K 8117/16)
Amtlicher Leitsatz:
Ob eine „Förderung der Allgemeinheit“ gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu verneinen ist, da eine Körperschaft Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, ist ebenso wie bei § 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu entscheiden. Es ist daher keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzunehmen (Bestätigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 14.03.2018 –V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422).
Keine Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO für extremistische Körperschaften
BFH, Urt. v. 5.9.2024 – V R 36/21 (FG München, Urt. v. 27.9.2021 – F7 K 3347/18)
Amtlicher Leitsatz:
Die Anwendung der Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erfordert die Feststellung, dass gerade die Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt werden soll, als selbständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) in einem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird und nicht ein hiervon verschiedenes selbständiges Steuersubjekt.
Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung
OVG Bautzen, Beschl. v. 25.9.2024 – 6 E 62/23 (VG Chemnitz, Beschl. v. 25.9.2023 – 7 O 8/23)
Amtliche Leitsätze:
- Hintermann i. S. v. § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG ist, wer, ohne Mitglied des Vereins zu sein, geistig oder wirtschaftlich Wesentliches für den Verein leistet, dabei jedoch im Hintergrund bleibt, sich in der offiziellen Vereinsarbeit also nicht exponiert.
- Richtet sich die Durchsuchung gegen andere Personen i. S. v. § 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG, bestehen erhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit der Anordnung. Die Behörde hat in diesem Fall substantiiert darzulegen – und der Gerichtsbeschluss genau zu benennen – welche Beweismittel gefunden werden sollen und welche Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich diese im Gewahrsam der betroffenen Person befinden.
- Zur Begrenzungsfunktion der richterlichen Durchsuchungsanordnung im Hinblick auf unterschiedliche Durchsuchungszwecke.
Schenkungsteuerliche Steuerklassenbestimmung bei der erstmaligen Vermögensausstattung von Familienstiftungen
FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.9.2024 – 4 K 1138/24 (Revision zugelassen); mit wortgleichen amtlichen Leitsätzen FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.10.2024 – 4 K 1042/23 (Revision zugelassen)
Amtliche Leitsätze:
- Bei Familienstiftungen bestimmt sich die Steuerklasse für den schenkungsteuerbaren Übergang von Vermögen des Stifters im Rahmen der erstmaligen Vermögensausstattung der Familienstiftung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG allein nach dem Verhältnis des Stifters zu den (potentiellen) Bezugsberechtigten der Stiftung.
- Welche Personen für den Fall der Auflösung der Stiftung als Anfallsberechtigte das dann ggf. noch vorhandene Restvermögen erhalten würden, ist unbeachtlich.
Ligaklausel im Profisport ist immer Einzelfallabwägung
ArbG Solingen (3. Kammer), Urt. v. 1.10.2024 – 3 Ca 728/24
Redaktionelle Leitsätze:
- Ob ein Arbeitsvertrag zwischen einem Profisportverein und einem Trainer wirksam so auflösend bedingt werden kann, dass die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags von dem Erhalt einer bestimmten Spielklasse abhängt, ist anhand des Einzelfalls zu bestimmen.
- Eine Formulierung, die lediglich auf die Spielklasse Bezug nimmt, genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 14 Abs. 4 TzBfG, der auch auf Zweckbefristungen Anwendung findet, jedenfalls nicht. Solch eine Formulierung lässt nicht den Zeitpunkt erkennen, zu dem der Vertrag beendet wird. Denkbare Zeitpunkte der Vertragsbeendigung sind etwa das Ende des Spieljahrs, der Saison oder auch das Feststehen des Klassenwechsels.
- Soweit eine solche Klausel auch nicht zwischen Lizenzverlust bzw. deren Rückgabe und einem Klassenwechsel unterscheidet, ist sie auch aus diesem Grund unwirksam. Die auflösende Bedingung des Lizenzverlusts bzw. deren Rückgabe ist unwirksam, da sie zur Umgehung des § 626 BGB führt und dem Arbeitnehmer einseitig und vollständig das grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragende Beschäftigungsrisiko aufbürdet.
ArbG Solingen (4. Kammer), Urt. v. 30.10.2024 – 4 Ca 729/24
Amtliche Leitsätze:
- Vereinbarungen über auflösende Bedingungen sind in Arbeitsverträgen grundsätzlich zulässig. Sofern sie wie Befristungen zur objektiven Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften führen, bedürfen sie eines rechtfertigenden sachlichen Grundes. Dies gilt auch bei einer vertraglich vereinbarten auflösenden Bedingung anstelle einer Befristung oder zusätzlich zu einer Befristung. Für die Feststellung, ob für eine auflösende Bedingung ein Sachgrund vorliegt, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.
- Ein Wunsch des Arbeitnehmers nach einer befristeten/auflösend bedingten Beschäftigung kann eine Befristung/auflösende Bedingung sachlich rechtfertigen. Dazu müssen Tatsachen festgestellt werden, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers nur an einer befristeten/auflösend bedingten Beschäftigung folgt. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrags nur ein befristetes/auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte (hier verneint).
- Es ist nicht anzunehmen, dass im Bereich des Profisports stets eine Befristung/auflösende Bedingung (z.B. durch eine sogenannte Ligaklausel) wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist. Dies bedarf vielmehr stets einer Bewertung des konkreten Arbeitsverhältnisses, der Art der geschuldeten Arbeitsleistung und auch der Ausgestaltung der im konkreten Einzelfall vereinbarten Befristung/auflösenden Bedingung (hier verneint).