Kritik an „gemeinnützigem Journalismus“ ist geschützte Meinungsäußerung
LG Berlin II, Beschl. v. 31.10.2024 – 27 O 293/24 eV
Amtliche Leitsätze:
- Zur Zulässigkeit einer in einem Zeitungsartikel geäußerten Kritik an „gemeinnützigem Journalismus“ und der journalistischen Qualität einer von anderen Medien als „unseriös“ bewerteten Berichterstattung.
- Medienunternehmen müssen scharfe oder unfundierte Meinungsäußerungen über die Qualität der von ihnen verantworteten Berichterstattung auch im Falle einer damit verbundenen Ansehensminderung jedenfalls dann hinnehmen, wenn sie sich gegenüber der geäußerten Kritik im Rahmen einer Folgeberichterstattung öffentlichkeitswirksam zur Wehr setzen können.
MwStSystRL: Flugunterricht ist kein Schul- oder Hochschulunterricht
BFH, Urt. v. 13.11.2024 – XI R 31/22 (FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.6.2021 – 1 K 3047/19)
Amtlicher Leitsatz:
Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL umfasst nicht die Erteilung von Flugunterricht.
Zu gemeinnützlichkeitsschädlichen Verlusten von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben eines gemeinnützigen Vereins
FG Hamburg, Urt. v. 5.12.2024 – 5 K 125/23 (Revision zugelassen)
Amtliche Leitsätze:
- Übt ein gemeinnütziger Verein neben der ideellen Tätigkeit auch solche Tätigkeiten aus, die als Zweckbetrieb bzw. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzuordnen sind, und werden einzelne Gegenstände (bspw. eine Sporthalle) von allen drei Bereichen genutzt, so sind die durch den Gegenstand veranlassten Aufwendungen den einzelnen Bereichen zuzuordnen, wenn und soweit objektivierbare zeitliche oder quantitative Abgrenzungskriterien vorhanden sind (vgl. BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, IR4813 I R 48/13, BStBl II 2015, 713).
- Wenn die tatsächlichen Nutzungsanteile der einzelnen Bereiche feststehen, liegt ein objektivierbares zeitliches Abgrenzungskriterium vor. Aufteilungsmaßstab ist dann die jeweilige tatsächliche Nutzungszeit. Die Leerstandszeiten sind nicht allein dem ideellen Bereich zuzuordnen.
- Bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält, ist für die Frage, ob gemeinnützigkeitsschädliche Verluste vorliegen, nicht auf das Ergebnis des einzelnen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern auf das zusammengefasste Ergebnis aller steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe abzustellen (§ 64 Abs. 2 AO).
Ehrenschutz eines Spitzenverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften
OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 8.1.2025 – 4 U 1533/24
Amtliche Leitsätze:
- Auch juristische Personen des Privatrechts genießen Ehrenschutz und können sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes berufen, soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.
- Ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Zitierten liegt nicht schon deshalb vor, weil eine Äußerung nicht wörtlich wiedergegeben wird.
Ehrenamt im Museumsbetrieb – 5 € Aufwandsentschädigung in der Stunde ist kein Entgelt
LSG Hessen, Urt. v. 23.1.2025 L 1 BA 64/23 (Revision zugelassen; vorangehend SG Gießen, Urt. v. 28.9.2023 – S 4 BA 21/22)
Redaktionelle Leitsätze:
- Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, vornehmlich, aber nicht nur bei Diensten höherer Art, eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
- Dass es dem Weisungsunterworfenen gestattet ist, die Aufnahme seiner Tätigkeit tagesbezogen abzulehnen, schließt weder eine Weisungsgebundenheit noch eine abhängige Beschäftigung aus. Nimmt nämlich der jeweils Betroffene das Angebot an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus, wenn die dann übernommene Tätigkeit dieses Gepräge aufweist.
- Für die Abgrenzung von Beschäftigung zu selbstständiger Tätigkeit ist es unerheblich, ob ein bestehendes Weisungsrecht von dem Weisungsbefugten ausgeübt worden ist oder nicht. Maßgeblich ist lediglich die rechtliche Möglichkeit, eine Weisung zu erteilen.
- Eine Person, die in die Arbeitsorganisation eingebunden und weisungsunterworfen ist, deren Tätigkeit jedoch durch ideelle Zwecke und Unentgeltlichkeit statt durch Arbeitsentgelt geprägt wird, übt eine ehrenamtliche Tätigkeit aus, was eine Einstufung als abhängige Beschäftigung ausschließt.
- Bei pauschalen Aufwandsentschädigungen ist die Berechnungsgrundlage dahingehend zu prüfen, ob sie dem Grundgedanken der Entschädigung für aufgewendete Zeit usw. entspricht. Fehlt es insoweit an nachvollziehbaren Begründungen und geht der geleistete Geldbetrag erkennbar über den getätigten Aufwand hinaus, so kann eine abhängige Beschäftigung angenommen werden.
- Eine Vergütung von 5 € pro Arbeitsstunde entsprach im Jahr 2017 bereits im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt keinem adäquaten Arbeitsentgelt, weshalb die Vergütung evident hinter einer adäquaten Gegenleistung für die zu beurteilende Tätigkeit zurückbleibt.
- Ob und das eine Aufwandsentschädigung die steuerrechtliche Ehrenamtspauschale, vgl. § 1 S. 1 Nr. 16 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) und § 3 Nummer 26, 26a EstG, überschritten, führt dabei zu keiner abweichenden Beurteilung, weil diese Normen über die sozialversicherungsrechtliche Einordnung höherer Zuwendungen nichts aussagen.
Anforderungen an eine Vereinigung iSd. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 SGG
LSG Bayern, Beschl. v. 24.1.2025 – L 2 U 178/24 (SG München, Urt. v. 10.6.2024 – S 33 U 440/22)
Amtliche Leitsätze:
- Vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vertretungsbefugte Vereinigungen i.S.d. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 SGG sind nur solche, die aufgrund ihrer Mitgliederzahl und ihrer Finanzmittel die Gewähr dafür bieten, dass sie geeignete Prozessbevollmächtigte zur Verfügung stellen können.
- Eine vertretungsbefugte Vereinigung i.S.d. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 SGG muss im Regelfall mindestens 1.000 Mitglieder haben.
- Die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bietet eine Vereinigung dann nicht, wenn sie durch ihre Aufnahmepraxis von Mitgliedern gegen ihre eigene Satzung verstößt und sich damit nicht rechtstreu verhält.
Beauftragung gemeinnütziger Rettungsdienstleister
VG Lüneburg, Urt. v. 29.1.2025 – 6 A 55/24 (Berufung zugelassen)
Redaktionelle Leitsätze:
- Die in § 5 Abs. 1 NRettDG vorgesehene Gleichrangigkeit von gemeinnützigen und gewerblichen Anbietern steht der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB entgegen.
- Eine Beauftragung innerhalb eines Rettungsdienstbereiches kann nur einheitlich durch die Erteilung eines Dienstleistungsauftrags (Submissionsmodell), durch die Erteilung einer Dienstleistungskonzession (Konzessionsmodell) oder durch eine Direktvergabe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 NRettDG erfolgen.
Grundbuchfähigkeit des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit
OLG München, Beschl. v. 10.2.2025 – 34 Wx 328/24 e, 34 Wx 329/24 e (ebenfalls OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.10.2024 – 20 W 186/2 [Rechtsprechungsübersicht Januar 2025 – Teil 2])
Amtlicher Leitsatz:
Auch nach Inkrafttreten des MoPeG ist der Verein ohne Rechtspersönlichkeit, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, grundbuchfähig.