Aktuelle Rechtsprechung im Überblick

Oktober 2023

Zusammengestellt von Benjamin Beyer

GmbH-Gesellschafter kann insolvenzbedingten Darlehensausfall bei Kapitaleinkünften als Verlust geltend machen

FG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2023 – 14 K 1638/20 E (Revision zugelassen)

Redaktionelle Leitsätze:

Der endgültige Ausfall einer privaten Darlehensforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EstG. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust iSd § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann.
Auch Gesellschafterdarlehen erfüllen den Begriff der sonstigen Kapitalforderung jeder Art iSd § 20 Abs. 1 Nr. 7 EstG und sind im Zeitpunkt ihrer endgültigen Wertlosigkeit als „Rückzahlung zu Null“ nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG vollständig iRd § 20 EStG zu berücksichtigen.

Drittanfechtung von Corona-Hilfen

OVG Bautzen, Beschl. v. 16.6.2023 – 6 B 377/21 (VG Dresden, Beschl. v. 20.9.2021 – 4 L 1/21)

Amtliche Leitsätze:

Werden einem Begünstigten Zuwendungen mittels Zuwendungsbescheid bewilligt, ist für einen Dritten in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft. Besteht zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob einem Rechtsbehelf des Dritten gegen einen solchen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung zukommt, richtet sich der Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes deshalb nach § 80 Abs. 5, § 80a VwGO.
Bei offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfen tritt die von § 80 Abs. 1 VwGO angeordnete aufschiebende Wirkung nicht ein.
Die RL Corona-Soforthilfe soziale Organisationen des Freistaates Sachsen wurde zwar selbst nicht bei der Kommission notifiziert, unterfällt aber der Notifizierung einer Bundesrahmenregelung, die die Kommission nach Art. 4 Abs. 3 BeihilfeVerfO im Vorprüfverfahren genehmigt hat.
Eine Feststellung der Erledigung bei einseitiger Erledigungserklärung kommt nicht in Betracht, wenn das ursprüngliche Begehren in modifizierter Form weiterverfolgt wird (vgl. § 264 Nr. 3 ZPO). Sie kommt auch dann nicht in Betracht, wenn dem Antrag auf Gewährung vor-läufigen Rechtsschutzes bereits im Zeitpunkt seiner Stellung deswegen das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hat, weil bereits vor Antragstellung eine Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

Redaktionelle Leitsätze:

Allein die Gewährung von Soforthilfen nach der sächsischen „RL Corona-Soforthilfe soziale Organisationen“ greift nicht derart in den bestehenden Markt ein, dass der Nichtbegünstigte in seiner Existenzfähigkeit betroffen ist. Eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit ist damit nicht anzunehmen, womit Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG keinen drittschützenden Charakter entnommen werden kann.
Durch die Notifizierung und Genehmigung der Soforthilfen durch die europäische Kommission kommt auch eine Verletzung von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV und damit ein drittschützender Charakter nicht in Betracht.

Keine Zweckverfehlung von Fördermitteln bei Umwidmung von Flächen der Tagespflege zu stationärer Pflege

VG Sigmaringen, Urt. v. 19.6.2023 – 5 K 223/22

Redaktionelle Leitsätze:

Werden Flächen für Tagespflegeplätze, die durch Bewilligungsbescheid gefördert worden sind, nunmehr für eine stationären Pflege genutzt, ist die Wertung 5 Abs. 7 VO zur baulichen Gestaltung von Heimen und zur Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen Baden-Württemberg (HeimBauVO) bei der Ermessensausübung des Widerrufs des Bewilligungsbescheids zu berücksichtigen.
Anpassung iSd § 5 Abs. 7 HeimBauVO ist weit und nach dem Sinn und Zweck auszulegen, sodass die Betreiber der Einrichtungen bei ihren von der Landesheimbauverordnung aufgezwungenen Planungen nicht von vorneherein durch die Befürchtung etwaiger Rückforderungsansprüche bei der Konkretisierung und Auswahl verschiedener Optionen der Neugestaltung einer Pflegeeinrichtung dergestalt eingeengt werden, dass die Verwirklichung der mit der Landesheimbauverordnung verfolgten Ziele (§ 1 LHeimBauVO) von vorneherein zurückgestellt oder relativiert würden.
Danach soll eine Rückforderung nach der Intention des Normgebers auch dann nicht erfolgen, wenn die Umwidmung der Flächen von der HeimBauVO veranlasst worden ist, aber die Umwidmung in betriebswirtschaftlich vertretbarer Weise im geringeren Maße möglich war.

Stiftungserrichtung durch Gemeinde ist grds. grunderwerbsteuerbarer Vorgang

FG Hessen, Urt. v. 10.7.2023 – 5 K 228/22 (Revision zugelassen)

Redaktionelle Leitsätze:

Die Ausstattung einer Stiftung mit Grundstücken bei Errichtung ist ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und ist nach § 17 Abs. 2 GrEStG auch gesondert festzustellen, wenn die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen.
Eine Privilegierung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eines grunderwerbssteuerbaren Vorgangs durch die öffentliche Verwaltung scheidet mangels Freigiebigkeit regelmäßig aus, es sei denn, die öffentliche Verwaltung überschreitet mit der Zuwendung eindeutig ihre obliegenden Aufgaben.
Eine Stadt, die das Vermögen von unselbstständigen Stiftungen in eine rechtsfähige Stiftung einbringt, handelt iR. ihrer obliegenden öffentlichen Aufgaben, weil das Vermögen als Sondervermögen der Stadt den haushaltsrechtlichen Vorschriften unterworfen war. Ein privatrechtliches Auftragsverhältnis zu den Urstiftern liegt nicht vor, sondern die gemeinnützige Verwendung des Sondervermögens stellte sich als eine eigenständige öffentliche Aufgabenerfüllung der Stadt dar. Eine Rückführung in die privatrechtlich organisierte Gemeinnützigkeit, begründet daher keine den Rahmen der öffentlichen Aufgaben eindeutig überschreitende Handlung der Stadt aufgrund einer gemeinnützigen Verhaftung der Grundstücke.

Anfechtbarkeit von Beschlüssen einer AG bei Verstoß gegen körperschaftsrechtliche Satzungsbestimmungen

BGH, Versäumnisurteil v. 11.7.2023 – II ZR 98/21 (OLG Celle, Beschl. v. 28.4.2021 – 9 U 110/20; LG Hannover v. 11.11.2020 – 23 O 4/20)

Amtliche Leitsätze:

Beschlüsse einer Aktiengesellschaft, die gegen körperschaftsrechtliche Satzungsbestimmungen verstoßen und bei denen die für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nicht eingehalten werden, sind jedenfalls anfechtbar.
Ist die Anfechtungsklage zulässig erhoben, bedarf es im Hinblick auf dasselbe mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage verfolgte materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses und somit seine Beseitigung mit Wirkung für und gegenüber jedermann, keiner Festlegung, ob der Satzungsverstoß zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit führt.

Ausschluss eines Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam

BGH, Versäumnisurt. v. 11.7.2023 – II ZR 116/21 (OLG München, Endurt. v. 16.6.2021 – 7 U 1407/19; LG München I, Endurt. v. 28.2.2019 – 16 HK O 10218/18)

Amtliche Leitsätze:

Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben.
Wird ein Gesellschafter wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes ohne statutarische Regelung durch Urteil aus der GmbH ausgeschlossen, wird die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam und ist nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt (Aufgabe von BGHZ 9, 157, 174).

Anschaffungskosten eines Tesla sind keine Corona-Mehrkosten

VG Würzburg, Urt. v. 17.7.2023 – W 8 K 22.1254

Redaktionelle Leitsätze:

Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es nicht auf eine Auslegung an, sondern auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz, letztlich auf die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen.
Die Anschaffung eines Kfz (hier Tesla) zur Kontaktvermeidung mittels größeren Fuhrparks ist nach der allein maßgeblichen Interpretation der Behörde keine pädagogische Arbeit iSd Zuschussrichtlinien vom Dezember 2020 des Stadtjugendrings (Untergliederung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze Bayern), wonach auch Corona-Mehrkosten gefördert werden sollen.

Keine Überbrückungshilfe III für von der öffentlichen Hand beherrschten Verein

VG München, Urt. v. 26.7.2023 – M 31 K 22.3594

Redaktionelle Leitsätze:

Ein Rechtsanspruch auf Bewilligung von Zuschüssen nach der Überbrückungshilfe III kann sich nur aus einer Selbstbindung der Verwaltung aufgrund ständiger Verwaltungspraxis ergeben. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt.
Sofern öffentliche Unternehmen von Zuschüssen ausgeschlossen sind, kann zur Bestimmung der Eigenschaft als öffentliches Unternehmen, falls das Unternehmen in der konkreten Rechtsform keine Anteile aufweist, auf die Einflussnahme der öffentlichen Hand auf das Unternehmen zulässig abgestellt werden. Im Falle eines Vereins ist es danach auch zulässig auf Kriterien wie Finanzierung und die Inhaberschaft von entscheidenden nicht notwendigerweise mehrheitsbegründenden Organschaften heranzuziehen.

Zur Grundbuchfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins

OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2.8.2023 – 20 W 154/23 (AG Dieburg, Beschl. v. 19.6.2023 – MU-7898-3)

Amtlicher Leitsatz:

Ein nicht im Vereinsregister eingetragener Idealverein kann nach der bis zum 31.12.2023 geltenden Rechtslage unter Angabe seiner Mitglieder im Grundbuch eingetragen werden, unabhängig davon, ob man diesen als rechtsfähig ansieht oder die Mitglieder in gesamthänderischer Verbundenheit als Träger der Rechte.

Steuerbarkeit von Einkünften eines behinderten Spitzensportlers und Trainers – Abgrenzung der Einkunftsart – Keine “Vermutung” bzw. pauschale Berücksichtigung von Betriebsausgaben

FG Münster, Beschl. v. 2.8.2023 – 9 V 1012/23 E

Redaktionelle Leitsätze:

Erhält ein Sportler im Zusammenhang mit seiner Betätigung Zahlungen, die nicht nur ganz unwesentlich höher sind als die ihm hierbei entstandenen Aufwendungen, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Sport nicht mehr aus reiner Liebhaberei, sondern auch um des Entgelts willen betrieben wird. Die Sportausübung ist in einem solchen Fall nicht mehr reiner Selbstzweck, sondern auch Mittel zur Erzielung von Einkünften.
Ein Berufssportler erzielt keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Eine Trainertätigkeit stellt hingegen keine gewerbliche, sondern eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EstG dar. Sind natürliche Personen zugleich gewerblich und freiberuflich tätig, sind die jeweiligen Tätigkeiten in der Regel getrennt zu erfassen, selbst wenn zwischen ihnen gewisse sachliche und wirtschaftliche Berührungspunkte bestehen, sofern sie sich nicht gegenseitig bedingen. Eine Tätigkeit als Trainer erfordert keine Tätigkeit als Berufssportler und gleiches gilt umgekehrt.
Soweit die Finanzverwaltung bei Zuschüssen durch die Deutsche Sporthilfe davon ausgeht, dass den Zuschüssen in der Regel Werbungskosten in gleicher Höhe gegenüberstehen, so entbindet dies den Steuerpflichtigen nicht von seiner Feststellungslast für steuermindernde Tatsachen. Darüber hinaus ist eine Abweichung von der (etwaigen) Regelvermutung (des Hessisches Ministerium der Finanzen, Erlass vom 12.05.1969, S 2120 A-95-II A 21, juris) vorliegend deshalb geboten, weil die sportliche Betätigung des Antragstellers nicht nur zu Einnahmen des Antragstellers persönlich in Form der Zahlungen der Deutschen Sporthilfe geführt hat, sondern auch zu Einnahmen einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft bzw. zu Einnahmen einer Kapitalgesellschaft, die dafür anfallende Kosten des Antragstellers übernehmen sollte.

Vorläufiger Rechtsschutz des nicht berücksichtigten Krankenhauses im Zusammenhang mit der Drittanfechtung des Feststellungsbescheids

OVG Lüneburg Beschl. v. 4.8.2023 – 14 ME 66/23 (VG Oldenburg, Beschl. v. 11.5.2023 – 7 B 1055/23)

Amtliche Leitsätze:

6 Abs. 5 NKHG findet nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts auch auf solche Drittanfechtungsklagen Anwendung, die vor dem 1. Januar 2023 erhoben worden sind (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 8.6.2023 – 14 ME 15/23).
Konkurrieren mehrere Krankenhäuser um einen bestimmten Versorgungsbedarf und begünstigt die Planungsbehörde eines dieser Krankenhäuser, ohne eine Auswahlentscheidung zwischen den konkurrierenden Krankenhäusern zu treffen, so ist eine (Dritt-)Anfechtungsklage des Trägers des nicht berücksichtigten Krankenhauses gegen den an das andere Krankenhaus gerichteten begünstigenden Feststellungsbescheid zulässig. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nichtbegünstigte die Aufnahme seines eigenen Krankenhauses begehrt und eine Auswahlentscheidung zu Unrecht unterblieben war (vgl. bereits VG Oldenburg, Beschl. v. 3.1.2023 – 7 B 1645/22).

Stimmverbot von Gesellschaftern bei Beteiligung an zu verklagender Gesellschaft

BGH, Urt. v. 8.8.2023 – II ZR 13/22 (OLG Bamberg, Urt. v. 2.12.2021 – 1 U 475/20; LG Bamberg, Endurt. v. 23.10.2020 – 1 HK O 33/19)

Amtliche Leitsätze:

Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.
Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

Beschränkung der Befugnisse des Notjagdvorstandes

OLG Bamberg, Beschl. v. 17.8.2023 – 4 U 76/23 e (LG Schweinfurt, Urt. v. 8.5.2023 – 23 O 622/22)

Amtliche Leitsätze:

Die in der Mustersatzung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG enthaltene Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers ist aufgrund ihrer hinreichend klaren Fassung für jeden Dritten ohne weiteres erkennbar und damit auch im Außenverhältnis wirksam.
Die im Außenverhältnis wirksame satzungsmäßige Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers beschränkt auch die Befugnisse des gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BJagdG an die Stelle des Jagdvorstandes tretenden Gemeindevorstandes als Notjagdvorstand.
Bei Streitigkeiten über den Bestand eines Jagdpachtvertrages erfolgt die Festsetzung des Gebührenstreitwertes nach § 41 Abs. 1 GKG, während die Regelungen der §§ 2, 8 ZPO für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert maßgeblich sind.

Zur Frage, ob Leistungen einer Einrichtung zur ambulanten Rehabilitation zur sog. “Erweiterten Ambulanten Physiotherapie” (EAP-Leistungen) von der Gewerbesteuer befreit sind § 3 Nr. 20 Buchst. e Gewerbesteuergesetzes

FG Düsseldorf, Urt. v. 18.8.2023 – 3 K 2043/19 G (Revision zugelassen)

Redaktionelle Leitsätze:

Zur näheren Definition des in § 3 Nr. 20 GewStG verwendeten Begriffs der „Einrichtung zur ambulanten Rehabilitation“ ist auf die Begriffsbestimmungen des Sozialversicherungsrechts zurückzugreifen. Die nach § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII vorzunehmende sozialversicherungsrechtliche Bestimmung als Rehabilitationseinrichtung durch einen gesetzlichen Unfallversicherungsträger ergibt sich im Streitfall aus der EAP-Zulassung der Klägerin durch den Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die gesetzliche Unfallversicherungsträger iSv § 114 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind.
Die auf die EAP-Leistungen entfallenden Gewinn- bzw. Verlustanteile sind nach § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG gewerbesteuerbefreit und auszugrenzen. Die auf andere Leistungen einer Einrichtung entfallenden Ergebnisanteile unterliegen demgegenüber der Gewerbesteuer.
Maßgebliche Bezugsgröße der 40%-Grenze des § 3 Nr. 20 Buchst. e Satz 1 GewStG ist die Anzahl der in der Rehabilitationseinrichtung insgesamt behandelten Rehabilitationsfälle und nicht die Anzahl sämtlicher in der Einrichtung behandelter Fälle unabhängig von ihrer Zuordnung zum Bereich der (gesetzlich begünstigten) Rehabilitation oder der „allgemeinen“ Physiotherapie. Eine isolierte Betrachtung der in der betroffenen Einrichtung behandelten Rehabilitationsfälle setzt nicht voraus, dass die Einrichtung mit ihrem von § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG begünstigten Leistungsbereich der Rehabilitation gegenüber anderen Leistungsbereichen der Einrichtung oder ihres Trägers räumlich oder organisatorisch verselbständigt ist. Eine verwaltungsseitige hiervon abweichende Normauslegung bindet die Gerichte nicht.

Zur Wirksamkeit eines Jagdpachtvertrags

OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 24.8.2023 – 24 U 64/22 (LG Duisburg – 8 O 213/15)

Amtliche Leitsätze:

Die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB sind bei einem Jagdpachtvertrag (§§ 581ff. BGB) nicht anwendbar, wenn das Revier als eine Eigenschaft bestimmte Wildarten aufweisen soll.
Ein Jagdpachtvertrag umfasst das Jagdausübungsrecht als Rechtspacht, für welche die mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen entsprechend gelten (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – III ZR 200/07, Rn. 9).
Ein Jagdpachtvertrag ist gem. § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG schriftlich abzuschließen. Die Schriftform bezieht sich auf den gesamten Vertragsinhalt einschließlich aller Nebenabreden.

Zur steuerfreien Vermietung von Sportanlagen gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG)

BFH, Beschl. v. 31.8.2023 – XI B 89/22 (FG Hessen, Urt. v. 9.8.2022 – 1 K 506/20)

Amtlicher Leitsatz:

Die Vermietung von Sportanlagen ist nur dann ausnahmsweise gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn neben der bloßen Überlassung der Sportanlage und gegebenenfalls von Betriebsvorrichtungen keine weiteren Leistungen ausgeführt werden.

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bei Mitgliedern einer vereinsrechtlich verbotenen Vereinigung

VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 7.9.2023 – 5 L 2671/23.F

Amtliche Leitsätze:

Bei einem Vereinsverbot durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat sind Zweifel an einem Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 und 3 GG letztlich vor dem dafür sachlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht zu klären und treten hinter dem Sachverhaltsaufklärungsinteresse, das eine richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung rechtfertigt, zurück.
Bei einem Verbot von weltanschaulichen und religiösen Vereinigungen erscheint fraglich, ob die Gerichtetheit gegen Art. 79 Abs. 3 GG genügt und in diesem Sinne tatsächlich vorliegt oder es einer weitergehenden Gefährdung der Rechtsgüter anderer bedarf.
Ein mögliches politisches Profilierungsbestreben hinter einer verbotsbehördlichen Verfügung bleibt unerheblich.

Klagen gegen das vereinsrechtliche Verbot der “Bandidos Motorcycle Club Federation West Central” überwiegend erfolglos

BVerwG, Urt. v. 19.9.2023 – 6 A 12.21

Redaktionelle Leitsätze (nach Pressemitteilung):

Eine identitätswahrende Nachfolgeorganisation eines verbotenen Vereins liegt nur bei offensichtlicher Identität in gebietlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht vor.
Ein Verein ist auch dann verbotsfähig, wenn die Mitgliederversammlung einen Auflösungsbeschluss gefasst hat, in vermögensrechtlicher Hinsicht die Liquidation aber noch nicht abgeschlossen ist.

Umweltvereinigung kann gegen die Zulassung einer Abweichung von den Zielen eines Regionalplans klagen

BVerwG, Urt. v. 28.9.2023 – 4 C 6.21 (VGH Kassel, Beschl. v. 31.5.2021 – 4 A 610/19; VG Gießen, Beschl. v. 23.1.2019 – 1 K 9645/17.GI)

Redaktioneller Leitsatz (nach Pressemitteilung):

Eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung kann eine Zielabweichung eines Regionalplans als nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 iVm § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG tauglicher Klagegegenstand auf die Aufhebung klagen, wenn anstelle der Zielabweichungsentscheidung eine Änderung des Regionalplans hätte erfolgen müssen. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Zielabweichungsentscheidung Grundzüge der Planung berührt, weil erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene nicht ausgeschlossen werden können.

Stadt kann Aufnahme eines konkreten Kindes in private Kitas nicht erzwingen bestätigt – 4,3 km entfernter Kitaplatz erfüllt Betreuungsanspruch

OVG Münster, Beschl. v. 28.9.2023 – 12 B 683/23, 12 B 811/23, 12 B 854/23 (VG Münster 6 L 409/23, 6 L 558/23, 6 L 604/23)

Redaktionelle Anmerkung

Siehe hierzu VG Münster, Beschl. v. 6.7.2023 – 6 L 558/23 (Stadt kann Aufnahme eines konkreten Kindes in private Kitas nicht erzwingen) in Aktuelle Rechtsprechung im Überblick, August 2023