Kein Anspruch aus enteignendem Eingriff oder Aufopferung bei Fund einer Fliegerbombe auf einem Krankenhausgrundstück
OLG Nürnberg, Endurt. v. 5.2.2025 – 4 U 1458/23 (LG Amberg, Endurteil v. 27.6.2023 – 13 O 519/22)
Amtliche Leitsätze:
- Zur Frage der Passivlegitimation bei einem Anspruch aus enteignendem Eingriff, wenn eine Große Kreisstadt als untere Sicherheitsbehörde wegen des Fundes einer Weltkriegsbombe auf einem Krankenhausgrundstück mittels einer Allgemeinverfügung eine Evakuierung eines Krankenhauses anordnet und wenn die Entschärfung der Bombe durch einen vom Freistaat Bayern vorgehaltenen Kampfmittelbeseitigungsdienst vorgenommen wird.
- Der öffentlich-rechtliche Zustandsstörer muss im Hinblick auf seine Verantwortlichkeit seine polizeiliche Inanspruchnahme ohne eine Entschädigung hinnehmen. Ein Zustandsstörer erleidet ungeachtet dessen, ob er sicherheitsrechtlich für die Störungsbeseitigung in Anspruch genommen wurde, kein Sonderopfer, das entschädigungsrechtlich im Rahmen polizeilicher Entschädigungsregeln des Freistaats Bayern oder auf der Grundlage des allgemeinen Aufopferungsrechts ausgeglichen werden müsste.
Zu den Anspruch eines ehrenamtlichen Pfadfinder-Stammesmeisters nach Glatteisumfall
BSG, Urt. v. 25.3.2025 – B 2 U 3/23 R (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.8.2022 – L 3 U 112/21; SG Koblenz, Urt. v. 20.4.2021 – S 15 U 259/19)
Redaktionelle Leitsätze:
- Das Wort „Wohlfahrtspflege“ trägt iRd. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII sowohl sprachlich als auch inhaltlich die Idee der Fürsorge und des Einsatzes für das Wohl anderer in sich und verbindet die historische Tradition der Sozialfürsorge (Caritas) durch die Kirchen („christliche Wohlfahrt“) und die außerkonfessionelle Selbsthilfe („Arbeiterwohlfahrt“) mit den modernen Strukturen des Sozialstaats. Eine Begrenzung auf spezifisch gefährdete oder besonders schutzbedürftige Personen, die sich in sozialen, wirtschaftlichen bzw. gesundheitlichen Notlagen oder sonst in schwierigen Lebenssituationen befinden, enthält der Begriff nicht, wenngleich hilfebedürftige Menschen faktisch im Zentrum der Wohlfahrtspflege und ihrer Angebote stehen. Eine engere Auslegung des Wohlfahrtsbegriffs, wie sie etwa im Berufskrankheitenrecht praktiziert wird, ist den dort spezifischen Umständen geschuldet und nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII zu übertragen. Die Tätigkeit in einem Pfadfinderverein wird danach von dem Begriff der „Wohlfahrtspflege“ erfasst.
- Unfallversicherungsschutz eines Pfadfinder-Stammesmeisters nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII weder von einem Sachkundenachweis noch von dem Erlass eines gestaltenden Verwaltungsakts oder einer Zertifizierung ab. Um in den Genuss des Unfallversicherungsschutzes zu kommen, muss der Tätigwerdende jedoch selbst auf dem Gebiet der Jugendhilfe iSd. § 1 SGB VIII tätig werden, dabei im Kern gemeinnützige Ziele verfolgen, ein Mindestmaß an Eignung aufweisen und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten.
- Ein Pfadfinder-Stammesmeister erfüllt diese Vorgaben regelmäßig, weshalb dieser bei einem glatteisbegründeten Sturz beim Aussteigen aus dem Pfadfinderbus zum Abladen von Zeltmaterial des Vereins nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII versichert sein kann.
- Die Urteile vom 13.8.2002 (B 2 U 5/02 R – Katholische Junge Gemeinde) und vom 24.3.1998 (B 2 U 13/97 R – Zeltlager der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg) stehen dem nicht entgegen.
Körperschaftsteuerrecht: Zur Betriebsaufspaltung, wenn sowohl Besitz- als auch Betriebsgesellschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins tätig sind
FG Hamburg Urt. v. 8.4.2025 5 K 103/24
Amtlicher Leitsatz:
Wenn sowohl die potenzielle Betriebsgesellschaft als auch die potenzielle Besitzgesellschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins betrieben werden, liegt eine für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung nur vor, wenn die potenzielle Besitzgesellschaft selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der potenziellen Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Dies erfordert, dass die potenzielle Besitzgesellschaft in der Mitgliederversammlung der potenziellen Betriebsgesellschaft über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügt. Daran fehlt es jedenfalls, wenn die potenzielle Besitzgesellschaft selbst gar nicht Vereinsmitglied der potenziellen Betriebsgesellschaft ist.
Keine Übertragung eines Verbandsklagerecht aus einem Rechtsgebiet in ein anderes
VG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.4.2025 – 5 K 3319/20.F
Amtliche Leitsätze:
- Ein Verbandsklagerecht kann nicht per se von einem Rechtsgebiet auf andere übertragen werden. Das Schaffen eindeutiger Normen zur Begründung eines Verbandsklagerechts obliegt nach dem fundamentalen Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung ausschließlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber, der ein solches Klagerecht für Verbraucherschutzorganisationen im Lebensmittelrecht zur Initiierung verwaltungsrechtlicher Verfahren bisher nicht geschaffen hat.
- Der Kläger kann nur die Verletzung von subjektiven öffentlichen Rechten geltend machen, auf die er sich als juristische Person kraft ihrer Natur berufen kann, also etwa verbandseigene Rechte, wie dem Schutz des Eigentums. Darüber hinaus ist der Kläger auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar betroffen durch eine Verletzung von Art. 7 VO 1169/2011, sodass die Klagebefugnis auch nicht im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung hergeleitet werden kann. Insbesondere kann die Betroffenheit nicht willkürlich durch die Festlegung bestimmter Ziele und Zwecke der juristischen Person in ihrer Satzung geschaffen werden.
Wahlordnung einer eingetragenen Genossenschaft darf nicht gegen grundlegende Wahlgrundsätze verstoßen
OLG München, Endurt. v. 21.5.2025 – 7 U 442/23 e (LG München I, Endurt. v. 8.9.2022 – 5 HK O 5571/21)
Redaktionelle Leitsätze:
- Ein Beschluss einer virtuellen Vertreterversammlung einer Genossenschaft ist entsprechend § 241 Nr. 3 Var. 1 AktG nichtig, wenn er mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar ist.
- Ein Statut, wonach ein von einem Mitglied für einen Wahlbezirk eingebrachter Wahlvorschlag von mindestens 150 Mitgliedern unterschrieben sein muss, die im jeweiligen Wahlbezirk wahlberechtigt sind, und der kleinste Wahlbezirk 084 Mitglieder umfasst, verstößt in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG für allgemeine politische Wahlen nicht gegen elementare Wahlgrundsätze, insbesondere nicht gegen den der allgemeinen und gleichen Wahl.
Durchsuchung und Beschlagnahme nach dem Vereinsrecht
OVG Bremen, Beschl. v. 21.5.2025 – 1 S 244/24 (VG Bremen, Beschl. v. 17.7.2024 – 2 E 1754/24; siehe hierzu auch siehe auch BVerwG, Beschl. v. 26.2.2025 – 6 VR 2.24; Beschl. v. 4.3.2025 – 6 VR 4.24 (Rechtsprechung im Überblick April 2025)
Amtlicher Leitsatz:
Rechtmäßigkeit der Durchsuchung eines Verlages, der im Zusammenhang mit dem verbotenen Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) stehen soll.
Ligaklausel unwirksam
LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.5.2025 – 3 SLa 614/24 (ArbG Solingen, Urt. v. 1.10.2024 – 3 Ca 728/24)
Amtliche Leitsätze:
- Die Vereinbarung einer sogenannten Ligaklausel, nach der der Arbeitsvertrag im Falle des Abstiegs aus der 1. (Handball-) Bundesliga automatisch endet, bedarf – da es sich um die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung handelt – zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
- Nutzt eine GmbH, die den Spielbetrieb der 1. Herrenmannschaft eines Handballbundesliga-Vereins durchführt, in einem Arbeitsvertrag mit dem Handballtrainer (mit Ligaklausel) ein Formular mit zwei Unterschriftenfeldern für ihre beiden einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer (inkl. Namensnennung nebst Funktionsbezeichnung), so kann dies nur so verstanden werden, dass beide Felder mit entsprechenden Unterschriften zu versehen sind. Durch ein leer bleibendes Unterschriftsfeld eines Geschäftsführers erweckt der Arbeitsvertrag den Eindruck der Unvollständigkeit. Ergeben sich auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte aus dem Vertragsformular, die eine sichere Abgrenzung zu einem bloßen Vertragsentwurf ermöglichen, mangelt es an der Schriftform. Rechtsfolge dessen ist die Nichtigkeit der Bedingungsabrede (Ligaklausel).
- Dieses Problem der Schriftform ist von der Frage einer wirksamen Stellvertretung und hinreichenden (Einzel-) Vertretungsberechtigung zu unterscheiden. Die Vertretungsmacht heilt keinen Formverstoß.
Gemeinnütziger Verein ist kein Kaufmann iSd. § 38 ZPO
OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.6.2025 – 1 AR 8/25 (SA Z)
Redaktioneller Leitsatz:
Kaufmann und damit rogationsbefugt iSd. § 38 Abs. 1 ZPO kann in Übereinstimmung mit §§ 1 bis 7 HGB ein Verein nur sein, wenn er ein wirtschaftlicher Verein iSd. § 22 BGB ist. Eine von den Finanzbehörden anerkannte Gemeinnützigkeit indiziert die Nichtwirtschaftlichkeit des Vereins. Daher ist eine durch einen gemeinnützig anerkannten Verein getroffene Gerichtsstandsvereinbarung regelmäßig unwirksam.
Kein vorbeugender äußerungsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen Stiftung Warentest
LG Berlin II, Urt. v. 5.6.2025 – 27 O 70/24
Amtlicher Leitsatz:
Kein vorbeugender äußerungsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Stiftung Warentest wegen in der Vergangenheit – unter Verwendung einer angeblich veralteten Spülmaschine – durchgeführten Tests von Spülmaschinentabs.
Zur Grundbuchfähigkeit des Idealvereins
OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.6.2025 – 2 W 47/25 (AG Goslar – GS-21091-3)
Amtlicher Leitsatz:
Auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) am 01.01.2024 ist ein Verein ohne Rechtspersönlichkeit grundbuchfähig, so dass es keiner Voreintragung im Vereinsregister bedarf.
Vom TierschutzVMG NRW vermittelte Recht sind mit Außerkrafttreten erloschen
OVG Münster, Beschl. v. 23.6.2025 – 20 A 991/20, 20 A 990/20, 20 A 2009/21 (VG Düsseldorf – 23 K 8014/17; VG Düsseldorf – 23 K 1830/17; VG Münster – 4 K 505/18)
Amtlicher Leitsatz:
Das Außerkrafttreten des TierschutzVMG NRW hat zur Folge, dass etwaige durch das TierschutzVMG NRW bis zu seinem Außerkrafttreten vermittelten Rechte erloschen sind. Das gilt beim Verbandsklagerecht nach § 1 Abs. 1 TierschutzVMG NRW auch für Verbandsklagen, die zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Gesetzes rechtshängig waren (wie OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2019 –20 A 1165/16 –, juris).
BVerwG hebt Verbot des „Compact”-Magazins auf
BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24 (siehe zu diesem Verfahren auch BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 [Rechtsprechung im Überblick November 2024 I]; zur Durchsuchung und Beschlagnahme OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.10.2024 – 3 P 122/24 [Rechtsprechung im Überblick Januar 2025 II]; OVG Bautzen, Beschl. v. 19.12.2024 – 6 E 47/24 [Rechtsprechung im Überblick Februar 2025]; Beschl. v. 6.2.2025 – 6 E 72/24 [JdS-RS Übersicht Mai 2025])
Redaktionelle Leitsätze (nach Pressemitteilung Nr. 48/2025 v. 24.6.2025):
- Auch ein Presse- und Medienunternehmen, das in der Rechtsform einer GmbH organisiert ist, kann Gegenstand eines Vereinsverbotes nach dem Vereinsgesetz sein. Insbesondere mangelt es den vereinsrechtlichen Zugriff auf eine als Presse- und Medienunternehmen organisierte Vereinigung nicht an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Vielmehr entspricht die Differenzierung zwischen der verbotenen Organisation als solcher und den von ihr herausgegebenen Presse- und Medienerzeugnissen der Abgrenzung zwischen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) gegenüber der Landesgesetzgebungskompetenz für das Presse- und Medienrecht (Art. 70 Abs. 1 GG). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht, die das von einem Kollektiv ausgehende spezifische Gefahrenpotential im Blick hat, ist „blind“ für den von der jeweiligen Organisation verfolgten Zweck.
- Die von Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit von Meinung, Presse und Medien steht der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Presse- und Medienunternehmen nicht entgegen. Der Bedeutung dieser grundrechtlichen Gewährleistungen ist vielmehr bei der Rechtsanwendung im Einzelfall Rechnung zu tragen. Mit einem auf Art. 9 Abs. 2 GG iVm. § 3 Abs. 1 VereinsG gestützten Vereinsverbot gegen ein Presse- und Medienunternehmen darf der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG nicht unterlaufen werden. Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung ist weder das Verbot der Vorzensur (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG) betroffen noch ist der dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Ausspruch einer Grundrechtsverwirkung (Art. 18 GG) ein gegenüber dem Vereinsverbot vorrangiges Instrument des präventiven Verfassungsschutzes.
- Die Vereinigung erfüllt jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen des eng auszulegenden Verbotsgrunds des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VereinsG). Zwar können Äußerungen, die als solche weder strafbar noch rechtswidrig sind, aber eine Grundüberzeugung der Vereinigung zum Ausdruck bringen, als Indizien für ein Vereinsverbot herangezogen werden und es rechtfertigen. Das Grundgesetz garantiert jedoch im Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit. Es vertraut mit der Vereinigungsfreiheit grundsätzlich auf die freie gesellschaftliche Gruppenbildung und die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs. Deshalb ist ein Vereinsverbot mit Blick auf das das gesamte Staatshandeln steuernde Prinzip der Verhältnismäßigkeit nur gerechtfertigt, wenn sich die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend erweisen. In der Gesamtwürdigung erreichen die verbotsrelevanten Äußerungen und Aktivitäten noch nicht die Schwelle der Prägung.

